PNN 3.11.10
Potsdam-Mittelmark
Lernen mit Lehrern. In der Region Teltow zahlen die Kommunen, damit Unterricht nicht ausfallen muss.
Region Teltow - Zu viel Schulausfall? Karsten Friedel kann die
Aufregung nicht verstehen. „Wir haben ein komfortable Situation“, sagt der
Sprecher des brandenburgischen Bildungsministeriums. Die Ausfallquote im Land
betrage 1,6 Prozent. In Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf seien die Zahlen
nicht anders. Dass man das in den drei Rathäusern anders sieht, will er nicht
kommentieren. „Wenn die Gemeinden mit ihrem Geld einspringen, dann ist das
deren Entscheidung“, sagt Friedel. Um den Unterricht aufrechtzuerhalten, sei
das nicht nötig. Vor Ort sieht man das schon lange anders. In Brandenburg
einmalig, geht die Region in Sachen Schule ihre eigenen Wege.
Mit Geld aus den Stadtsäckeln wollen die Kommunen den Unterrichtsausfall an
ihren Schulen bekämpfen – und das nicht ohne Grund. Eltern, Schüler und
Politiker sehen die wahre Ausfallquote deutlich höher, als vom Ministerium
angegeben. Ein Beispiel: Die Kleinmachnower Maxim-Gorki-Gesamtschule zählte im
ersten Halbjahr des abgelaufenen Schuljahres einen offiziellen Ausfall in der
Sekundarstufe I von 2,7 Prozent. Tatsächlich musste für 21,8 Prozent aller
Stunden eine Notlösung gesucht werden, weil Lehrer fehlten.
Klassenzusammenlegungen und Stillarbeit heißen die Zauberwörter, um die Quote
zu senken. Für viele ist das eine Mogelpackung. Deshalb entschlossen sich
Kleinmachnow und Stahnsdorf, sich nicht allein auf das Land zu verlassen.
Teltow könnte dem Beispiel folgen.
Auf ihrer jüngsten Sitzung lieferten sich die Teltower Stadtverordneten jedoch
zunächst eine heftige Debatte darüber, ob das Land tatsächlich aus der
Verantwortung entlassen werden kann. „Welche Aufgaben sollen wir denn noch
übernehmen?“, fragte Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD). Dennoch herrscht
Einigkeit: Die Bildungspolitik des Landes sei eine Katastrophe. Die gestellte
Vertretungsreserve reiche nicht. Bestes Beispiel: An der Teltower
Anne-Frank-Grundschule musste in diesem Schuljahr der Stundenplan komplett
überarbeitet werden, weil Personal fehlt, berichtet der Grünen-Politiker
Eberhard Adenstedt.
Auf Ersatz vom Land brauchen die Schulen in solchen Fällen nicht mehr warten.
Eine Vertretungsreserve vom Schulamt gibt es nicht mehr. Das Amt hat Anfang des
Schuljahres alle Zusatzstunden in Höhe von drei Prozent, die für Vertretungen
zur Verfügung stehen, den Schulen in Eigenverantwortung übergeben – die Reserve
sitzt im Lehrerzimmer – zumindest theoretisch, wie das Beispiel Anne-Frank
zeigt. 20 000 Euro soll Teltow den Schulen jetzt bereitstellen, wenn es nach
Linken, Grünen, FDP und BIT geht und damit dem Kleinmachnower Beispiel folgen.
Bettina Konrad ist vom Kleinmachnower Schulfonds überzeugt. „Das Angebot wird
von den Schulen intensiv genutzt“, sagt die Fachbereichsleiterin für Schule im
Rathaus. 1200 Stunden wurden im vergangen Schuljahr auf Gemeindekosten
vertreten. Mit 100 000 Euro ging der Fonds 2009 an den Start, ab 2011 werden 30
000 Euro reichen, sagt Konrad. Jede Schule im Ort kann sich bedienen und
„Ersatzlehrer“ engagieren. Referendare oder pensionierten Lehrer übernehmen den
Unterricht, dürfen aber keine Zensuren vergeben. Vor allem für kurzfristige
Ausfälle sei das Modell gedacht und werde so auch von den Schulen genutzt.
In Stahnsdorf hat sich die Politik bewusst für einen anderen Weg entschieden,
erklärt Bettina Schwarz (BfB), Chefin des Sozialausschusses. „Wir wollen das
Land eben nicht ganz aus seiner Verantwortung lassen“, sagt sie zur Teltower
Debatte. Anders als in Kleinmachnow wird in Stahnsdorf seit Februar
ausschließlich der Förderunterricht mit kommunalen Geldern gefördert – aber
somit über einen kleinen Umweg der Unterrichtsausfall bekämpft. Denn es ist der
nachmittägliche Förderunterricht, der als erstes wegfällt, wenn Lehrer am
Vormittag einen kranken Kollegen ersetzen. Mit dem Geld der Kommune wird der
Förderunterricht gesichert. 3000 Euro gibt es dafür aus dem Stahnsdorfer
Gemeindehaushalt, im kommenden Jahr sollen es 4000 Euro sein, heißt es aus dem
Rathaus. Bis zum Jahresende sollen insgesamt 200 Förderunterrichtsstunden auf
Kosten der Gemeinde gehalten werden.
Trotz der von den Kommunen geleisteten Schulhilfe bleibt Ministeriumssprecher
Friedel bei seiner Sicht der Dinge: „Eigentlich gibt es das Problem
Unterrichtsausfall nicht.“ Er plädiert deshalb für weniger Aufgeregtheit – die
Debatte in der Region Teltow sei in Teilen auch ein „Wohlstandsphänomen“. (mit
KiG)