PNN 30.10.10
Von Klaus Kurpjuweit
Die Proteste haben gewirkt. Die von der Deutschen Flugsicherung
(DFS) vorgeschlagenen Routen für den neuen Flughafen in Schönefeld werden nicht
kommen. Jetzt wird neu geplant – auf Basis der ursprünglichen Vorgaben.
Wer wird nun vom Krach am Himmel verschont?
Wenn auf der Basis der alten Planungen, die einen Geradeausflug nach dem Start
vorsehen, die künftigen Routen festgelegt werden, bleiben im Westen
Nord-Mahlow, Lichtenrade, Kleinmachnow, Teltow, Stahnsdorf und auch Wannsee vom
extremen Krach verschont. Im Osten gäbe es keine Flüge über Zeuthen. Die
startenden Maschinen können aber trotzdem noch zu hören sein. Für Fachleute
würde dies dann eine Belästigung, aber keine Belastung darstellen.
Wer bekommt stattdessen den Lärm ab?
Voll in den Flugschneisen liegen vor allem die Bewohner von Blankenfelde-
Mahlow im Westen. Im Osten überfliegen die Maschinen den nördlichen Teil von
Eichwalde, den südlichen Bereich von Bohnsdorf sowie Müggelheim, wo die bisherige Lärmschutzzone endet. Ein
Überfliegen von Blankenfelde-Mahlow hatte die
Flugsicherung bisher als „unzumutbar“ bezeichnet.
Sind erneut Änderungen an der Planung möglich?
Ja. Die Flughafenplaner hatten die ihrer Ansicht nach im Flughafenbereich größte denkbare Belastung für die Bevölkerung angenommen und
den Lärmschutz darauf ausgerichtet. Routen können jetzt aber so modifiziert
werden, dass weniger Menschen belastet werden, als ursprünglich angenommen. So
ist es durchaus möglich, dass Flugzeuge beim Start von der südlichen Bahn
Blankenfelde umfliegen, was die Flugsicherung bisher im Süden und Norden
vorgesehen hatte.
Wo gibt es noch Probleme?
Während im Westen wenigstens ein Teil von Blankenfelde umkurvt werden könnte,
ist eine ähnliche Lösung im Osten schwieriger. Ein Geradeausflug nach dem
Start, wie es im Genehmigungsverfahren für den Flughafen vorgesehen war, ist
nach internationalen Vorgaben nicht möglich, wenn beide Startbahnen unabhängig
voneinander betrieben werden sollen. Genau das fordert der Flughafen. Damit
Flugzeuge sich bei einem zeitgleichen Start nicht gegenseitig gefährden, müssen
sie nach dem Abheben bei diesem sogenannten unabhängigen Betrieb sofort um
mindestens 15 Grad voneinander abknicken. Dann würden sie über Zeuthen fliegen
müssen, falls es nicht möglich ist, sie noch vor dem dicht bebauten
Siedlungsgebiet abbiegen zu lassen. Ob dieser Vorschlag verwirklicht werden
kann, wird noch geprüft.
Braucht der Flughafen parallele Starts?
Während Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) überzeugt ist, dass es
zumindest vorläufig dafür keinen Bedarf gibt und deshalb nach den ursprünglich
vorgesehenen Plänen nach dem Start geradeaus geflogen werden könne, gibt es
nach Angaben der Flughafengesellschaft den Prognosen zufolge bereits bei der
Eröffnung des Flughafens zwei oder drei Spitzenzeiten, in denen parallele
Starts erforderlich sind.
Rechtfertigt sich dadurch die Belastung der Bevölkerung?
Nach derzeitigem Stand sind unabhängige Starts, die zwischen den Fluglotsen
nicht abgestimmt werden müssen, zumindest in den ersten Betriebsjahren nur
jeweils vielleicht zehn Minuten am Tag erforderlich. In der übrigen Zeit könnte
dann geradeaus geflogen werden. Fachleute verweisen darauf, dass es durchaus
möglich ist, für jede Betriebssituation exakt vorgegebene Routen festzulegen.
Auch für die Nacht. Dies bedeutet aber mehr Arbeit für die Lotsen, die seit
Jahren unter einem Personalmangel leiden und auch deshalb Lösungen suchen, die
sie möglichst wenig belasten.
Was passiert jetzt als Nächstes?
Am 8. November tagt die Lärmschutzkommission, in die jetzt auch Berliner
Bezirke und weitere Brandenburger Kommunen, die bei den Plänen der
Flugsicherung ebenfalls betroffen gewesen wären, aufgenommen worden sind.
Maximal wird die Kommission damit 34 Mitglieder haben; bisher waren es 17. Die
Kommission kann keine Entscheidungen treffen, aber Vorschläge machen.
Gefährdet das Zurückdrehen der Pläne den Terminplan?
Dies ist unwahrscheinlich. Die Flugsicherung hatte ihren Terminplan so
aufgestellt, dass es Zeit gibt, Änderungen bei den Routen einzuarbeiten. Und
intern war die Flugsicherung dem Vernehmen nach bereits darauf vorbereitet,
dass die Kommission den bisherigen Routenvorschlag ablehnen wird. Endgültig
festgelegt werden die Routen vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung, das
direkt dem Bundesverkehrsminister untersteht.
Gehen die Proteste jetzt zu Ende?
Nein. Die meisten der nach eigenen Angaben mehr als 30
Initiativen gegen die bisherigen Routen wollen zumindest so lange weiter
demonstrieren und Druck auf die Politik machen, bis verbindlich feststeht, dass
die Flugsicherung ihren Vorschlag zurücknimmt. Erst wenn schriftlich
zugesichert werde, dass die Politik alles daransetze, die neuen Routen nicht
über bewohnte Gebiete zu führen, die dafür im Planfeststellungsbeschluss nicht
aufgeführt waren, werde man die Proteste aussetzen, sagt Matthias Schubert von
der Initiative in Kleinmachnow. Auflösen werden sich die Initiativen jedenfalls
nicht. Man könne nicht wissen, was noch komme, zeigte sich Schubert skeptisch.
Schließlich habe man sich auch nicht auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
verlassen können, in dem von Flügen über den südlichen Kommunen keine Rede
gewesen sei.
Wie reagieren die jetzt weiter vom Krach Betroffenen?
Der Bürgerverein Brandenburg-Berlin, der sich von Anfang an gegen den Standort
Schönefeld gewehrt hat, werde auf jeden Fall gegen die Routen klagen. Das
kündigte der Ehrenvorsitzende Ferdi Breidbach an. Die
jetzige Entscheidung habe er so erwartet.