PNN 27.10.10

 

Von Tobias Reichelt

Flugsicherung will an Startrouten noch feilen

Ein neues Konzept soll es aber erst geben, wenn Lärmkommission Alternativen geprüft habe (27.10.10)

Potsdam/Berlin - In der Debatte um die Flugrouten vom künftigen Hauptstadtflughafen BBI in Schönefeld über das Berliner Stadtgebiet und das brandenburgische Umland sieht die Deutsche Flugsicherung (DFS) die Fluglärmkommission am Zuge. „Nach unseren Methoden haben wir die optimale Route ermittelt“, sagte DFS-Sprecher Axel Raab am Dienstag. Neue Vorschläge werde die Flugsicherung vor der Sitzung der Fluglärmkommission am 8. November nicht unterbreiten. Eine klare Absage erteilte er der ursprünglichen Planung, die das Berliner Stadtgebiet von Fluglärm verschonte. „Ein Überfliegen der am Flughafen liegenden Blankenfelde und Mahlow ist den Gemeinden nicht zuzumuten“, sagte Raab.

Dennoch nennt Raab die geplanten Flugrouten einen „groben Entwurf“, an dem noch „gefeilt“ werden könne. Dass die startenden Flugzeuge noch etwas länger Richtung Westen fliegen und damit Wannsee und Teile des Berliner Stadtgebietes verschonen, sei „sicher etwas, über das man reden kann“. Die DFS werde aber von sich aus „keine Alternative“ anbieten, um nicht „neue Gräben aufzureißen“. Vielmehr müsse die Fluglärmkommission sich auf eine Alternative einigen, die anschließend von der Flugsicherung geprüft werden.

Damit sind auch Spekulationen vom Tisch, wonach der bisher geplante Abstand zwischen zwei Flugzeugen, die gleichzeitig von den zwei Startbahnen starten, von 40 Grad auf den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand von 15 Grad reduziert werden könnte. Dadurch würden alle Flugrouten das Berliner Stadtgebiet verschonen. Klar ist auch: Die Fluggesellschaften würden am liebsten unmittelbar nach dem Start abbiegen und das Berliner Stadtgebiet überfliegen. Und deren Interessen wiegen doppelt schwer: Denn Umwege an Berlin vorbei kosten nicht nur mehr Flugbenzin, sondern erhöhen auch die CO2-Belastung – was die DFS ebenfalls berücksichtigen muss.

Inwieweit unter diesen Prämissen noch Routen gefunden werden können, die den Süden Berlins und das angrenzende Umland vom drohenden Fluglärm entlasten, ist derzeit unsicher. Die Fluglärmkommission – ein Gremium aus Vertretern betroffener Kommunen, Fluglinien und der Flughafengesellschaft können zwar mehrheitlich Abflugrouten über Blankenfelde/Mahlow fordern, „wir sind aber nicht verpflichtet, dem nachzugeben“, sagte Raab.

Kompromisse werden nach Auffassung von Raab frühestens im kommenden Jahr zu finden sein. Fest stehen müssten die Flugrouten ein halbes Jahr vor der Inbetriebnahme, die für das Jahr 2012 vorgesehen ist. Aus Sicht der CDU-Fraktion im Brandenburgischen Landtag dauert das zu lange. Die umstrittenen Flugrouten am künftigen Flughafen Berlin Brandenburg International (BBI) sollten neu geplant werden. Die Mitglieder der Fraktion beschlossen diese Position am Dienstag einstimmig bei ihrer Klausurtagung in Rangsdorf.

Seit die DFS Anfang September ihre von den bisherigen Planungen abweichenden ersten Routenvorschläge vorgestellt hat, ist der Ärger im Berliner Süden und den Umlandgemeinden groß. Anders als angenommen, sollen sie nun doch überflogen werden – Teltow in etwa 1500 Metern Höhe, Wannsee in etwa 2300 Metern. Große, schwere Langstreckenflugzeuge werden sogar noch tiefer fliegen.

Brandenburgs Verkehrsstaatssekretär Rainer Bretschneider versuchte gestern bei einem Pressetermin in Diedersdorf die Wogen zu glätten. In Gebieten, die bei Starts in 1500 Metern oder mehr überflogen werden, gebe es keinen Anspruch auf Lärmschutz, weil der nicht notwendig sei: „Sie müssen dort keine Gespräche im Garten unterbrechen, wenn ein Flugzeug kommt. Sie können nachts bei offenem Fenster schlafen.“ Auch bei landenden Jets – sie sollen Potsdam und Werder in 1000 Metern Höhe überfliegen – gebe es keinen Grund zur Sorge. „Sie sind nur halb so laut wie startende Flugzeuge in gleicher Höhe“.

In Kleinmachnow beruhigt das nicht: „Bei Herrn Bretschneider muss man aufpassen“, sagte Bürgermeister Michael Grubert (SPD). Man habe schon einmal schlechte Erfahrungen mit dem Versprechen gemacht, nicht überflogen zu werden.

Auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) nahm die DFS gestern in die Kritik: „Es mag sein, dass die Flugsicherung etwas vorgeschlagen hat, was sie aus ihrer Sicht vertreten kann, aber dass damit neue Bürger belastet werden, die bislang sicher sein konnten, dass sie nicht betroffen sind, ist ein Skandal.“ Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hatte in der vergangenen Woche lediglich gesagt, die Routen müssten „weiter optimiert werden“.

(mit dpa)