PNN 23.10.10

 

Von Kirsten Graulich

In Kleinmachnow wächst die Wut

Beim Forum der Bürgerinitiative zum Thema Flugrouten kochten die Emotionen hoch (23.10.10)

Kleinmachnow – Wut ist das Wort, das am Donnerstagabend im Kleinmachnower Rathaussaal genauso oft fiel wie Flugrouten. Über 300 Bürger drängten sich in den Saal zur Informationsveranstaltung der Bürgerinitiative „Weg mit Flugrouten über Kleinmachnow“. Viele davon hielten auch auf den Stehplätzen zwei Stunden lang durch. Am Ende der Diskussion waren die Emotionen hochgekocht. Auch Politiker, wie der Kleinmachnower Gemeindevertretervorsteher Klaus Jürgen Warnick (Linke), artikulierten ihren Zorn drastisch: „Wir wurden 17 Jahre lang beschissen“.

Mit dem Hinweis, die Gemeinde Kleinmachnow sei von den künftigen Flugrouten nicht betroffen, hätte die Planungsbehörde seinerzeit eine Anfrage des Bürgermeisters abgewimmelt, berichtete Warnick, der das Dokument kürzlich in seinen Unterlagen fand und nun konstatiert: „Ich bin so wütend, denn wenn das Schule macht, kann man in der Kommunalpolitik eigentlich nur noch aufhören“. Als „Blaupause für eine Täuschung“, bezeichnet BI-Sprecher Matthias Schubert das Planwerk für den Flughafenbau. Denn danach galt die Region lange Zeit außerhalb der Lärmzonen. Seit vor einigen Wochen offensichtlich wurde, dass Flugkorridore auch über der Region verlaufen, sprechen viele Bürger von Betrug und wollen sich nicht damit abfinden, „dass unsere gesetzlichen Beteiligungsrechte einfach ausgehebelt wurden“, wie in der Diskussion zu hören war.

Deutlich wurde am Donnerstagabend auch, wie schwer der Vertrauensverlust wiegt, weil „von nun ab kein Bürger in Deutschland mehr Planfestellungsbeschlüssen vertrauen kann“. Den Verdacht, dass die Region absichtlich nicht beteiligt wurde, nährt zudem die neue Routenführung, die Blankenfelde und Mahlow nicht mehr tangieren wird. Mit Höhen von 1500 Metern, wie sie für die Region Teltow angegeben werden, könne nunmehr das Nachtflugverbot umgangen werden, so die Befürchtungen. Bisher hat das Land immer versichert, dass es zwischen 0 und 5 Uhr ein striktes Flugverbot geben soll.

Kritik gab es in Kleinmachnow daran, dass die Wirtschaftlichkeit des Airports vorrangig sei. Dem pflichtet auch der Landtagsabgeordnete Hans Peter Goetz (FDP) mit dem Hinweis bei, die neuen Routen würden zudem darauf abzielen, mit möglichst wenig Lotsen auszukommen. „Nicht nachlassen im Protest“, appellierte Goetz an die Bürger im Saal, die ihm vor allem für seine engagierte Rede bei der jüngsten Landtagsdebatte Beifall zollten.

Am Donnerstagabend wurden auch Zweifel laut an den Fachplanungen der Deutschen Flugsicherung (DFS). Die bezeichne ihre Planungen zwar nach wie vor als „optimal“ und verweise zur Rechtfertigung auf Computerprogramme, berichtete Schubert. Doch die Bürgerinitiative argwöhnt angesichts veralteten Kartenmaterials – Teltow, Stahnsdorf und der westliche Teil Kleinmachnows sind nicht als Siedlungsgebiete ausgewiesen – dass der modernste Airport mit veralteten Karten geplant wurde. „Das wäre ein handfester Skandal“, so Schubert.

Wie unzuverlässig Flughöhenangaben und der damit verbundene Lärm in der Realität sind, schilderte eine junge Frau. Als sie noch in Wiesbaden in einer Einflugschneise wohnte, seien Transportmaschinen derart über ihr Haus hinweggedonnert, dass sie glaubte, die würden das Dach streifen. „Meine Kinder fingen vor Angst an zu heulen", erzählt sie, dass damals offiziell auch Flughöhen von 1500 Metern genannt wurden. Vor einigen Jahren war sie ins ruhige Kleinmachnow gezogen, doch nun glaubt sie: „Ich werde den Lärm nicht mehr los.“ Die Bürgerinitiative versprach, weiter zu kämpfen und kündigte eine Großdemonstration im Januar vor dem Flughafen Schönefeld an. Nicht Hunderte, sondern Tausende würden erwartet, hieß es.