PNN 14.10.10
Von Tobias Reichelt
Potsdam-Mittelmark - Die Stadt Werder (Havel) und auch die
Nachbarkommune Schwielowsee sind vom Fluglärm des künftigen
Hauptstadtflughafens BBI offenbar stärker betroffen, als bislang angenommen.
Wie die Deutsche Flugsicherung (DFS) gestern den PNN bestätigte, müssen sich
die Werderaner auf Überflüge in Höhen von mindestens 1000 Metern, in der Regel
aber oberhalb 1500 Meter einstellen. Der Grund: „Werder liegt in der Anflugzone
des Flughafens“, sagte DFS-Sprecher Axel Raab.
Bisher glaubte man sich in Werder bei der Debatte um die Flugrouten des BBI
nicht betroffen – startende Jets sollen die Stadt in einer Höhe von mindestens
4000 Metern überfliegen. An die Anflüge dachte man nicht. In Werder ist der
Ärger groß. „Das hat uns kein Mensch gesagt“, erklärte Bürgermeister Werner
Große (CDU) gestern gegenüber den PNN. Er fürchtet jetzt um die notwendige Ruhe
im Erholungsort. Große forderte deshalb die sofortige Aufnahme der Stadt in die
Fluglärmkommission und ist damit nicht allein: Gemeinsam haben die
Bürgermeister von Werder, Schwielowsee, Michendorf und Nuthetal einen Brief an
Brandenburgs Verkehrsminister Jörg Vogelsänger (SPD) vorbereitet, in dem sie
die Mitgliedschaft in dem Gremium fordern.
In der Fluglärmkommission wird über die künftigen An- und Abflugrouten zum
Flughafen beraten. Zuletzt hatte das Brandenburgische Verkehrsministerium den
ebenfalls vom Fluglärm überraschten Kommunen Teltow, Kleinmachnow und
Stahnsdorf einen Platz in der Kommission zugesagt. Gestern wurde das Gremium
zudem um die vier märkischen Landkreise Potsdam-Mittelmark, Teltow-Fläming,
Dahme-Spreewald, Oder-Spree und die Stadt Potsdam erweitert. Die Landkreise
sollen alle weiteren von den neuen Flugrouten betroffenen Gemeinden zusammen
vertreten. Das reicht den Bürgermeistern in der Region von Werder bis
Michendorf nicht. Werders Bürgermeister Große beruft sich auf Minister Vogelsänger.
Der hatte angekündigt, alle Kommunen in die Kommission aufzunehmen, die in
einer Höhe bis zu 2000 Meter überflogen werden – das sei nach den neuesten
Zahlen der Flugsicherung in Werder der Fall, so Große.
DFS-Sprecher Raab verwies indes auf den Spielraum, den es auch bei den
Anflugrouten gebe. Allerdings sei der im Gegensatz zu den Startrouten
kleiner: So müssen Flugzeuge spätestens 18,5 Kilometer vor der Landung auf
dem Leitstrahl der verlängerten Landebahn einschwenken. Je nach Wetterlage und
Flugzeugtyp können sie aber auch schon in größeren Abständen einlenken. Bei
Westwind sei die Blütenstadt Werder von Anflügen auf den BBI gar nicht
betroffen, da die Flieger von Osten kämen. Zu 70 Prozent des Jahres herrsche
Westwetterlage, so Raab. Zudem seien landende Flugzeuge leiser als startende,
sagte er.
Erst Anfang September hatte die Flugsicherung mit neuen Flugrouten-Entwürfen
für Aufregung gesorgt. Viele Kommunen wurden vom drohenden Fluglärm überrascht
– neben Werder ist vor allem die Region Teltow betroffen. Im Gegensatz zu den
bisher bekannten Routen müssen Einwohner demnach mit stärkerem Luftverkehr und
Lärm rechnen. Innerhalb kürzester Zeit gründeten sich zahlreiche
Bürgerinitiativen.
Matthias Piaszinski, von der Stahnsdorfer Initiative gegen Fluglärm, kündigte
gestern an, dass die Initiativen international anerkannte Luftfahrtexperten
beauftragen werden, eigene Gutachten zu möglichen Flugrouten vom künftigen
Hauptstadtflughafen zu erarbeiten. Damit soll die Region Teltow vom Fluglärm
entlastet werden. Die Gutachten sollen mehrere Zehntausend Euro kosten. Geld
werde in den Bürgerinitiativen gesammelt. „Die Menschen rennen uns zu Tausenden
die Bude ein“, sagte Piaszinski. Schon am Samstagvormittag soll in Stahnsdorf
zudem ein Fluglärmmobil vorgestellt werden. Es soll durch die Straßen rollen,
den drohenden Fluglärm simulieren und noch mehr Menschen zum Protest animieren.
(mit ldg)