PNN 29.9.10
Von Tobias Reichelt
Potsdam-Mittelmark - Gegen den drohenden Fluglärm vom künftigen
Hauptstadtflughafen Berlin-Brandenburg-International kündigt sich eine neue
Protestfront an. Künftig könnten Bürgerinitiativen und Kommunalvertreter der
Region Teltow und der ebenfalls vom Fluglärm betroffenen Gemeinde
Blankenfelde-Mahlow gemeinsam gegen die Flugrouten-Entwürfe der Deutschen
Flugsicherung protestieren. Der Vorsitzende der Fluglärmkommission, Bernd
Habermann, hat die Bürgermeister der Region Teltow jetzt zur „konstruktiven Mitarbeit“
eingeladen. Auch eine Blankenfelder Bürgerinitiative hat die Teltower
Protestler zur Zusammenarbeit aufgerufen.
„Wir wollen alle gleiche Bedingungen, nämlich Ruhe“, sagte
Fluglärmkommissionschef Habermann gestern den PNN. Teltow, Kleinmachnow und
Stahnsdorf seien eingeladen, gemeinsam an einer „solidarischen Entscheidung“
für neue Flugrouten zu arbeiten, sagte er.
Bereits seit sechs Jahren leitet der SPD-Politiker und frühere Bürgermeister
von Blankenfelde die Fluglärmkommission. Wie berichtet, waren in dem Gremium
Anfang September die neuen Flugrouten-Entwürfe der Deutschen Flugsicherung
vorgestellt worden. Im Gegensatz zu allen bisherigen Plänen müssten Einwohner
der Region Teltow demnach mit stärkerem Luftverkehr und entsprechender
Lärmbelastung rechnen, Blankenfelder wären entlastet. Zuletzt hatten die neuen
Routen genau deshalb auch für Anfeindungen zwischen den Protestlern
verschiedener Orte gesorgt. Die einen waren halbwegs zufrieden, die anderen
ganz und gar nicht.
„Wir hätten die Unterstützung der südlichen Berliner Bezirke und der
Umlandgemeinden schon vor zehn Jahren gebraucht“, sagte Habermann jetzt. Damals
hätten die Blankenfelder allein gegen den Flughafenstandort Schönefeld
demonstriert. „Es gibt in Deutschland keine Gemeinde, die so sehr vom Fluglärm
betroffen sein wird, wie Blankenfelde“ – mit dem möglichen Lärm über Teltow
nicht zu vergleichen. Für alle gelte aber nun: „Man muss das Beste daraus
machen.“
Am Montag hatte das Brandenburgische Verkehrsministerium angekündigt, die Region
Teltow in die Fluglärmkommission aufzunehmen. Dort müsse man alternative Routen
finden, sagte Habermann. Dafür fordere man von der Flugsicherung genaues
Kartenmaterial, dass zeige, wie viele Menschen an welchem Ort mit welcher
Lautstärke betroffen sind. Generell sollte es vermieden werden, bewohntes
Gebiet zu überfliegen.
Einen Vorschlag, wie die Kommunen vom Fluglärm entlastet werden könnten, hat
indes der Blankenfelder „Verein zur Förderung der Umweltverträglichkeit des
Verkehrs“ (VUV) vom Luftfahrtexperten Berthold Fuld entwickeln lassen. Demnach
müsste die Flughafengesellschaft darauf verzichten, beide Start- und
Landebahnen mit voller Kapazität zu nutzen, sagte VUV-Sprecher Gerhard Kalinka
den PNN. Wäre das der Fall, dann könnte die Nordbahn des Flughafens künftig als
reine Landebahn genutzt werden, die Südbahn als reine Startbahn.
„Technisch und sicherheitstechnisch ist es möglich, die Flugzeuge dann nur in
Richtung Süden abknicken zu lassen“ – eine Variante, welche die Debatte um die
Routen erheblich vereinfachen würde. „Alle Bürgerinitiativen müssen sich auf
ein Modell einigen, das sollte unsere zentrale Forderung sein“, sagte Kalinka.
Der Sprecher der Teltower Initiative gegen Fluglärm, Andreas Hess, kündigte
gestern bereits an, Gespräche mit den Protestlern in Blankenfelde aufnehmen zu
wollen. „Es ist generell perfide, dass versucht wird, die Leute gegeneinander
auszuspielen. Dazu darf es gar nicht erst kommen“, sagte Hess. Er wolle jetzt
offen auf die Blankenfelder zugehen.
Derweil hat die Protestwelle in der Region Teltow einen neuen Höhepunkt
erreicht: Schon 9000 Unterschriften sind gegen die neuen Flugrouten gesammelt.
Am Dienstag, dem 5. Oktober, laden die Lärmgegner zudem in das Teltower Rathaus
zur nächsten Informationsveranstaltung ein. Beginn ist 19 Uhr.