PNN 25.9.10
Schönefeld – Ferdi Breidbach formuliert gern drastisch: „Wer
behauptet, die vorgesehenen Flugrouten am künftigen Flughafen
Berlin-Brandenburg in Schönefeld bisher nicht gekannt zu haben, ist dumm, faul
oder lügt“, sagte der Ehrenvorsitzende des Bürgervereins Brandenburg-Berlin
(BVBB) am Freitag. Breidbach bezieht sich auf ein Schreiben der Flugsicherung
von 1998, das zu den Planfeststellungsunterlagen gehört. Warum die dort
geforderten Routen nicht ins Verfahren eingeflossen sind, ist weiter unklar.
In dem Schreiben vom 20. August 1998 an das damalige Verkehrsministerium in
Brandenburg hatte die Flugsicherung darauf hingewiesen, dass Flugzeuge bei
einem gleichzeitigen Start von beiden Bahnen unmittelbar nach dem Abheben den
Flugwinkel um mindestens 15 Grad ändern müssen. Bis zuletzt plante man aber
weiter mit Geradeausflügen und setzte auf dieser Basis auch die Lärmzonen fest.
Durch die jetzt von der Flugsicherung vorgeschlagenen Routen mit der Abweichung
von jeweils 15 Grad verändern sich gegenüber der ursprünglichen Planung die
Bereiche mit Fluglärm. Betroffen sind vor allem Teltow und Kleinmachnow sowie
Zeuthen und Königs Wusterhausen, aber auch Lichtenrade in Berlin.
Gerichtlich lasse sich dagegen nur vorgehen, wenn den Behörden nachgewiesen
werden könne, dass sie Informationen bewusst vorenthalten hätten, sagte Frank
Boermann, der als Anwalt mehrere hundert Schönefeld-Gegner vertritt. Dies werde
kaum möglich sein. Die Routen sind kein Bestandteil des aufwendigen
Genehmigungsverfahrens, sondern werden kurz vor der Betriebsaufnahme auf
Vorschlag der Flugsicherung vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung
festgelegt, das sich dabei mit dem Umweltbundesamt und dem
Bundesjustizministerium abstimmt. Er werde die jetzt vorgesehenen Routen aber
ins laufende Verfahren der Klagen gegen Nachtflüge einbringen, kündigte
Boermann an.
In fast allen neu betroffenen Gebieten haben sich bereits Bürgerinitiativen
gebildet, die sich gegen das Überfliegen wehren. Jetzt ist auch eine in Zeuthen
dazu gekommen, weil nun auch dort das Zentrum überflogen werden soll, während
in der bisher veröffentlichten Planung die Route am Ortsrand lag.Entlastet wird
bei Starts dagegen Blankenfelde-Mahlow, weil die Maschinen nicht mehr übers
Zentrum fliegen würden. Beim Anflug ändert sich an den Routen allerdings
nichts, weil hier weiter der Geradeausflug vorgesehen ist. Neue Verfahren, bei
denen Siedlungsgebiete umflogen werden können, befinden sich in der
Versuchsphase.
Wird unter den neuen Routen der Lärmgrenzwert überschritten, haben die Bewohner
einen Anspruch auf Lärmschutz, der nicht extra eingeklagt werden müsse, sagte
Flughafensprecher Ralf Kunkel. Über Berlin, das auch überflogen werden soll,
sind die Flugzeuge jedoch so hoch, dass die Ansprüche auf einen Lärmschutz
nicht mehr greifen, obwohl der Lärm zu hören sein wird.
Bei der Planung sei aber nicht nur der Lärm zu berücksichtigen, sagte Breidbach
weiter. Die Bewohner unter und neben den Routen seien auch einer „unglaublichen
Schadstoffbelastung“ ausgesetzt. Der Start eines Flugzeugs produziere
Schadstoffe wie 4000 anfahrende Autos. Klaus Kurpjuweit