PNN 23.09.10
Von Peter Könnicke und Tobias Reichelt
Region Teltow - Die Auswirkungen der jetzt veröffentlichen
Flugroutenmodelle für den Süden Berlins mit der Region Teltow sind der
brandenburgischen Landesregierung länger bekannt als diese zugibt. Bereits 1998
wurde die Deutsche Flugsicherung (DSF) von der BBI-Flughafen-Gesellschaft, zu der
neben dem Bund die Länder Berlin und Brandenburg gehören, aufgefordert, auf
beiden Parallelbahnen „gleichzeitige, unabhängige Abflüge“ durchzuführen.
Bis dahin war die DFS davon ausgegangen, die Abflugstrecken abhängig
voneinander zu planen, d.h.: es hätte nur auf einer Bahn gestartet werden
können. Hingegen verlangt ein gleichzeitiger Abflug zweier Flugzeuge ein
Abknicken während des Abhebens um 15 Grad. Dieses führte zu den aktuell
diskutierten Flugrouten über die Region Teltow und Wannsee, wogegen sich in den
vergangenen Tagen erheblicher Widerstand formiert hat. Mehrere
Bürgerinitiativen haben die Landesregierung aufgefordert, das Interesse der
Anwohner an ausreichendem Lärmschutz zu unterstützen.
„Das brandenburgische Verkehrsministerium kann nicht behaupten, von den Plänen
nichts gewusst zu haben“, bestätigt DSF-Sprecher Axel Raab. Denn nachdem die
Flugsicherung den Auftrag erhalten hat, einen parallelen Startbetrieb auf den
beiden Bahnen zu prüfen, habe es das Ministerium als Genehmigungsbehörde auf
die Konsequenzen aufmerksam gemacht: auf die Vorgaben der Internationalen
Zivilluftfahrtorganisation, wonach bei gleichzeitigen Abflügen das Abknicken
aus Sicherheitgründen erforderlich ist. Dass das Ministerium jetzt überrascht
worden sei, wie dessen Sprecher Jens-Uwe Schade vor einigen Tagen erklärte,
„kann nicht sein“, so Raab.
Vielmehr sei die Flugsicherung von den BBI-Betreibern beauftragt worden, den
gleichzeitigen Start von Flugzeugen zu prüfen, mit der Absicht, für den
künftigen Betrieb „Abflugverzögerungen während der Verkehrsspitzenzeiten zu
vermeiden.“ Das wirtschaftliche Interesse einer maximalen Auslastung sei
nachzuvollziehen“, sagte Raab den PNN.
Allerdings stellte die Flugsicherung auch klar, würden die BBI-Betreiber darauf
verzichten, die volle Kapazität des Flughafens zu nutzen, könnten die Flugzeuge
starten, ohne abknicken zu müssen. Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf wären
entlastet. „Die Flugzeuge müssten auf den parallelen Startbahnen gestaffelt
abfliegen, nicht gleichzeitig“, so DFS-Sprecherin Anja Naumann.
Dafür gibt es bei den Flughafen-Betreibern jedoch kein Verständnis. „Die
Kapazitäten des Milliardenprojekts Großflughafen dürfen nicht künstlich
beschnitten werden“, sagte BBI-Sprecher Ralf Kunkel. Beide Bahnen müssten
unabhängig voneinander genutzt werden. „Wir werden im Betrieb flexibel
reagieren müssen“, so Kunkel. Statt Kapazitäten zu verringern, müsse man Routen
optimieren.
Potenzial dafür ist vorhanden: Nach Einschätzung von Luftfahrtexperten ist es
nicht notwendig, bei gleichzeitigen Starts auf parallelen Bahnen beide
Flugrouten um 15 Grad abzuknicken – genau das ist im Moment zur Verwunderung
vieler Bürgerinitiativen für Flüge vom BBI in Richtung Westen jedoch der Fall.
Auf Nord- und Südstartbahn knicken die Routen um jeweils 15 Grad ab, in
Richtung Osten nur auf der Südbahn. Würde das gleiche Verfahren in Westrichtung
angewandt, gebe es keine Mehrbelastung für die Region Teltow.
Währenddessen meint Wolfgang Weber, Regionalsprecher der Deutschen Lufthansa,
„dass man sich nicht zu große Sorgen um übermäßige Lärmbelästigung machen
muss“. Er betonte aber auch, dass die Routen-Planung „kein Wunschkonzert“ sei.
Natürlich hätten die Fluggesellschaften „aus wirtschaftlichen und ökologischen
Gründen“ ein Interesse an möglichst kurzen Flugwegen, was durch das Abknicken
der Jets gerade nicht der Fall sei. „Aber der Sicherheitsaspekt steht an erster
Stelle“, so der Airline-Sprecher. Noch seien die Fluggesellschaften bei der
Routen-Planung nicht eingebunden. „Aber wir tun selbst alles, was wir können,
um den Fluglärm zu reduzieren“, sagte Weber. So würden derzeit „für viel Geld“
die Triebwerke der gesamten Boing 737-Flotte der Lufthansa neue Schalldämpfer
erhalten.
Auch Air Berlin, Deutschlands zweitgrößte Fluglinie, „arbeitet aktiv daran, die
Bevölkerung so gering wie möglich zu beeinträchtigen“, sagte Pressesprecherin
Tina Birke. Anfang September hatte Air Berlin zusammen mit der DFS und dem
Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt ein neues Anflugsystem getestet, das
lärmgeminderte Start- und Landeverfahren ermöglicht. „Generell erfüllen wir mit
unseren Passagiermaschinen die höchste Lärmschutzklasse“, so Birke.