PNN 6.9.10
Von Peter Könnicke
Kleinmachnow - „Es hat Sinn, solange sich Leute wehren. Erst wenn
keiner mehr kommt, ist es zu Ende.“ Benedikt Schirge weiß, wovon er spricht. 17
Jahre hat der Friedenspfarrer mit der Bürgerinitiative Freie Heide gegen das
Bombodrom gekämpft. In Kleinmachnow ist die Gegenwehr gegen den Ausbau der
Schleuse fast so alt wie die Wende. „Deutsche Einheit Nr. 17“ taufte einst
Verkehrsminister Wissmann das Vorhaben, die Wasserstraßen von Hannover bis nach
Berlin auszubauen und dabei die Machnower Schleuse und Teltowkanal zu
vergrößern. Von Beginn an gab es Widerstand gegen die Idee: In Brandenburg
formierte sich landesweit ein Aktionsbündnis gegen den Havelausbau, in
Kleinmachnow kritisiert eine Bürgerinitiative seit fast zwei Jahrzehnten den
Plan einer 180 Meter großen Schleuse als „wirtschaftlichen Unfug auf Kosten von
Natur, Landschaft und Steuerzahler“. Immer wieder rief die Initiative zu
Protesten auf. Auch gestern folgten dem Ruf mehr als 100 Menschen, darunter
Pfarrer Schirge, Bundes- und Kommunalpolitiker.
Als „hirnrissiges Projekt“ bezeichnete Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes
für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), den geplanten Schleusenausbau,
der im Oktober beginnen soll. Er fürchte, dass auch in Kleinmachnow nach
gleicher Methode agiert wird, wie in anderen Fällen: „Mit der maßlos
überdimensionierten Schleuse wird ein Zwangspunkt geschaffen, um dann den
Ausbau des Teltowkanals zu rechtfertigen“, mutmaßt Weiger. Denn bislang gilt,
dass, der Teltowkanal eine Wasserstraße der Klasse IV bleiben soll, ein Maß,
auf dem 185 Meter lange Schiffsverbände nicht fahren dürfen. Doch die Schleuse
soll für solche Schiffsgrößen ausgebaut werden. „Warum, wenn nicht danach der
Kanalausbau folgen sollte?“, fragte der BUND-Chef. Er kritisiert die Wasser-
und Schifffahrtsverwaltung (WSV), die den 180-Meter-Ausbau der Schleuse gegen
alle Widerstände und Kompromissvorschläge bis zur Planreife vorangetrieben hat,
als Behörde, „die einen nicht vorhandenen Verkehr verwaltet“. Denn nach den
aktuellen Zahlen, die die bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm von
der Bundesregierung bekommen hat, sei das Transportaufkommen auf den
Wasserstraßen rückläufig. Die Prognose, dass über den Teltowkanal einmal zehn
Millionen Gütertonnen pro Jahr transportiert werden, „sind absolut
unrealistisch“, so Weiger. Derzeit würden eine Million Tonnen bewegt.
Investitionen seien indes an anderer Stelle wichtig, betonte Manfred Stock vom
Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung. Bereits jetzt sei in Brandenburg
infolge des Klimawandels ein Defizit des Wasserhaushaltes zu beobachten, „der
sich nach unseren Berechnungen noch verschärfen wird“, sagte Stock. „Unsere
Gewässer und Ökosysteme wie der Teltowkanal und seine natürliche Umgebung
spielen dabei eine wichtige Rolle“, sagte Stock. Sich mit Maßnahmen zur
Anpassung an den Klimawandel zu beschäftigen „ist eine sinnvolle Aufgabe für Planungsbehörden,
die wichtiger ist als die Frage, wie große Schiffe durch die Schleuse passen“,
so der Klima-Experte.
Die Gegner des Projektes haben vorgeschlagen, den Schleusenausbau auf 115 Meter
zu begrenzen. Die WSV hat dies bislang mit der Begründung abgelehnt, dass eine
kleinere Schleuse weitaus mehr Eingriffe in die sensiblen Uferzonen bedeuten
würde, weil dann zusätzlich Warte- und Entkopplungsstellen für große
Schiffsverbände geschaffen werden müssten.