PNN 1.9.10

 

Von Tobias Reichelt

Fragen an die Fledermaus

Premiere in der Region: Evangelische Schule unterrichtet jahrgangsübergreifend bis zur sechsten Klasse (01.09.10)

Kleinmachnow - Geschäftig sind Juliana, Antonia, Nina und Zoë über ihre Arbeitsblätter gebeugt. „Wir machen hier Naturwissenschaften“, sagt Zoë. Die vier Mädchen der Klassenstufen vier bis sechs sollen die Spannweite einer Zwergfledermaus in Millimeter errechnen. Zoë bringt das heute ins Grübeln, für Antonia sind die Aufgaben kein Problem: „Einfach eine Null dran hängen, dann hast du statt Zentimeter Millimeter“, erklärt die Sechstklässlerin ihrer Nachbarin, bevor es für sie an die schwereren Fragen geht.

Was seit Beginn des Schuljahres in der Grundschule der Evangelischen Hoffbauer-Stiftung zu erleben ist, ist eine Premiere in der Region Teltow. Die Schule hat sich daran gewagt, das jahrgangsübergreifende Lernen bis zur sechsten Klasse einzuführen. Seit über einer Woche lernen die Kinder der Klassenstufen eins bis drei und erstmals auch vier bis sechs in gemeinsamen Gruppen – ob Naturwissenschaften, Mathe oder Deutsch. Nur in Englisch sind die Jahrgänge getrennt.

„An unserer Schule ist es nicht wie an anderen Schulen“, sagt Sechstklässler Pablo. Seine Klassenkameraden sind etwa neun bis zwölf Jahre alt. Manche sitzen schon auf großen Stühlen, andere auf kleinen. Pablo findet das Schulsystem gut. Auch Florian hat sich dran gewöhnt: „Da kann man anderen helfen, wenn sie was nicht verstehen“ – manchmal sogar die Kleinen den Großen.

„Die Mischung machts“, sagt Schulleiterin Antje Legien-Knapke. Die 42-jährige Mutter von vier Kindern hat Anfang August die Leitung der Hoffbauer-Schule von Vorgänger Markus Althoff übernommen. Das jahrgangsübergreifende Lernen auch für die Klassenstufe vier bis sechs einzuführen, zählte zu ihren ersten Aufgaben. Wichtig war es, ein „rollendes Curriculum“ zu entwickeln sagt sie. „Wie jede andere Schule müssen wir uns am Rahmenplan orientieren“ – es muss sichergestellt werden, dass alle Kinder in ihrer Grundschulzeit jedes im Plan vorgegebene Thema durchgehen, vom Lesen der Uhr über Grammatik bis zum Einmaleins. Hinzu kommt: In der Evangelischen Grundschule werden nicht nur die Kinder verschiedenen Alters gemischt, sondern auch die Inhalte mehrerer Unterrichtsfächer. So müssen Juliana, Antonia, Nina und Zoë im Fach Naturwissenschaften beim Thema Fledermaus auch rechnen, schreiben und basteln.

„Wir mischen nur die Fächer, in denen es sinnvoll ist“, sagt Legien-Knapke. Dafür wurde der traditionellen Unterricht mit einem Lehrer an der Tafel und den Schülern an den Tischen weitestgehend abgeschafft – lediglich für Grundlagenkurse, zum Beispiel im mathematischen Dividieren, werden die Kinder eines Jahrgangs noch zusammen unterrichtet. Danach geht es zurück in die gemischten Gruppen. In der Regel werden 25 Kinder von zwei Erwachsenen betreut.

Am Anfang einer 90-minütigen Unterrichtsstunde in den gemischten Gruppen stellen zunächst die Schüler ihre Fragen zum Thema, erklärt Legien-Knapke. „Was wollt ihr von den Fledermäusen wissen?“ Alle Fragen werden anschließend in kleinen Gruppen gelöst. Dafür stellt jeder Lehrer den Schülern eine breite Auswahl an Lexika und Arbeitsblätter bereit. „Die Texte sind unterschiedlich anspruchsvoll.“ Fällt dem einen die Aufgabe zu leicht, dann soll er das anspruchsvollere Arbeitsblatt durcharbeiten. „Die Kinder haben ein gutes Gefühl, was zu ihnen passt“, sagt die Schulleiterin. Nur etwa zehn Prozent der Kinder bräuchten bei der Auswahl die Hilfe des Lehrers. Beim Unterrichten greifen sie auf die guten Erfahrungen in den unteren Klassenstufen zurück.

„Wir haben keine Sorge, dass sich die Kinder zurücklehnen“, sagt Legien-Knapke. Im Gegenteil, die Kinder seien wissbegierig. Benotet werden die Schüler aber der 5. Klasse. Eine typische Testfrage laute dann zum Beispiel: „Was weißt du über Fledermäuse?“ Zoë weiß seit heute etwas mehr: Die Spannweite einer Zwergfledermaus beträgt etwa 200 Millimeter, erklärt Zoë stolz.