PNN 23.07.10
Von Peter Könnicke
Kleinmachnow - Günter Käbelmann hat früh gelernt, sein
Namensgedächtnis zu schulen. Er war gerade mal sieben Jahre, im vorletzten
Kriegsjahr, als er das tränenreiche Gespräch seiner Großmutter mit der
Nachbarin über deren gefallenen Sohn mitbekam. Fortan schnitt er aus der
Zeitung die mit einem Todeskreuz versehenen Namen Kleinmachnower Männer aus, die
an der Front gefallen waren. Als im April 1945 russische Truppen in
Kleinmachnow einmarschierten, verbrannte seine Mutter aus Angst die gesammelten
Todesanzeigen. Der Junge versuchte, die Namen aus dem Gedächtnis
aufzuschreiben, notierte sich aus Gesprächen weitere Kriegsschicksale, bis
seine Mutter 1961 die Aufzeichnungen erneut vernichtete. Wiederum hatte sie
Angst, dass dem Staat, der sein Volk einmauerte, diese Dokumentation missfallen
könnte.
Es dauert schließlich bis zum Jahr 2008, bis Günter Käbelmann sein Gedenkbuch
für Kleinmachnower Bürger, die 1939 bis 1945 an der Front oder in
Kriegsgefangenschaft ums Leben kamen, fertig stellte und veröffentlichte.
Das Gedenkbuch ist nicht die einzige heimatgeschichtliche Arbeit, die Käbelmann
Kleinmachow hinterlässt. Sein jüngster Beitrag war eine Festschrift zum
90-jährigen Bestehen des Ortes. Gestern trug sich der 74-Jährige ins Goldene
Buch der Gemeinde ein. „Damit soll seine leidenschaftliche und akribische
Arbeit gewürdigt werden“, sagte Bürgermeister Michael Grubert (SPD).
„Kleinmachnow könne sich glücklich schätzen, einen solchen Bewahrer der
Ortsgeschichte zu haben.“ Das „Erstaunliche daran sei, dass der gebürtige
Kleinmachnower schon seit 15 Jahren nicht mehr in seinem Heimatort, sondern in
Wittbritzen lebe.
Mit Respekt und Dank erkennt auch Rudolf Mach als Vorsitzender des
Kleinmachnower Heimatvereins Käbelmanns Wirken an. Er erinnerte gestern an
dessen Verdienst um die Aufarbeitung der Geschichte des norwegischen
Volksdichters Nordahl Grieg, der als Kriegspilot 1943 über dem Machnower See
abstürzte. Käbelmanns intensive Recherchen führten dazu, dass seit 2002 ein
Tragflächenteil der Unglücksmaschine in der norwegischen Botschaft in Berlin
hängt und in Kleinmachnow ein Gedenkstein und der jährliche Nordahl-Grieg-Lauf
an den Absturz erinnern.
Akribisch und mit viel Geduld dokumentierte Käbelmann auch die Geschichte der
Dreilinden Maschinenbau-Anstalt. Die Erinnerung an die einstige Rüstungsfabrik
des Bosch-Konzerns am Stahnsdorfer Damm blieb über viele Jahre verblasst und
verdrängt, bis in den 1990er Jahren ehemalige polnische Zwangsarbeiter nach
Kleinmachnow kamen und den Ort wieder ins Bewusstsein rückten. Zusammen mit
anderen Heimatforschern lieferte Käbelmann vielerlei Zeugnisse über das braune
Kapitel der Kleinmachnower Geschichte, ehe die Autorin Angela Martin in einem
Buch unter dem Titel „Ich sah den Namen Bosch“ ehemalige KZ-Häftlinge über ihre
Zeit in dem Werk erzählen ließ.
Ganz im Sinne der „bescheidenen Art“, die Bürgermeister Grubert dem
Heimatforscher attestierte, kommentierte Käbelmann seinen Eintrag ins Goldene
Buch: „Verdient habe ich das nicht!“ Und um nicht mit „leeren Händen“
dazustehen, präsentierte er sein neuestes heimatkundliches Werk: Eine
Kurz-Chronik von Kleinmachnow. Bis zum 20. Juli 2010 „bilde ich mir ein, dass
90 Prozent aller wichtigen Ereignisse enthalten sind“, meint Käbelmann.
Zusammen mit dem Heimatverein will die Gemeindeverwaltung für die Chronik ein
einheitliches Design entwickeln und sie in einer etwa 400-fachen Auflage
veröffentlichen.