PNN 07.07.10
Von Henry Klix, Thorsten Metzner und Thomas Lähns
In Werder, Teltow und Beelitz machen Polizisten, Gewerkschafter und Politiker gegen Polizeireform mobil
Werder / Teltow / Beelitz - Werder (Havel), Potsdamer Straße: 623 000
Euro hat das Land investiert, um die Polizeiwache auszubauen. Ein Dutzend
Polizisten verteilen vor dem historistischen Klinkerbau Flugblätter an
Passanten. Die Kommunalpolitik ist gut vertreten, zwei Gewerkschaftsfahnen
flattern im Wind. Die Stimmung in der Wache ist am Boden: Nach der
Polizeireform vor acht Jahren steht wieder mal ein Umbruch bevor. Und bis
gestern wusste niemand, wie er von der neuen Sparliste betroffen sein wird.
Details will der Innenminister erst heute vorstellen. Dabei gibt es drängende
Fragen: Wer wird umgesetzt, wer darf bleiben? Wird die Wache von Potsdam oder
von Brandenburg (Havel) aus geführt? Bleibt der Kripostandort in Werder?
Unzufrieden ist man hier schon seit Jahren, die Arbeit lässt sich kaum
organisieren. Offiziell gibt es in der Wache 45 Planstellen für
Schutzpolizisten – in Wahrheit arbeiten nur 30 hier, der Rest ist in andere
Dienststellen umgezogen, wie es gestern hieß – wegen des Haushaltsdrucks zogen
die Stellen nicht mit. „Es besteht ein völlig verzerrtes Bild“, sagt ein
leitender Polizeibeamter. „Manchmal arbeiten noch drei Schutzpolizisten in
einer Schicht – für ein Einzugsgebiet von 33 000 Menschen.“ Nun also die
nächste Kürzungsrunde.
Glaubt man der Prognose des LinkenLandtagsabgeordneten Andreas Bernig, so
bleibt die Wache Werder zwar zumindest als Tageswache bestehen. Doch Zweifel
bleiben. „Wir lang ist ein solcher Tag?“, fragte ein Polizeibeamter gestern.
Gerade die Abend- und Nachtdienste seien oft vollgepackt. „Brände,
Schlägereien, Streitigkeiten – das passiert meist erst spät“, so der Polizist,
der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. „Wenn dann die Wache dicht
ist, kann der Bürger sehen, wo er bleibt.“ Das fürchtet auch Werders
Bürgermeister Werner Große (CDU). „Das Sicherheitsgefühl ist ein anderes, wenn
man hier auch nachts jemanden erreichen kann.“ Aus Großes Sicht ist es ohnehin
nur ein erster Schritt, um die Wache doch noch dichtzumachen. „Die werden bald
fragen, ob wir im Rathaus ein Sprechzimmer zur Verfügung stellen.“
Werders Kriminalitätsrate ist zwar in den vergangenen vier Jahren gesunken. In
der Gewerkschaft der Polizei geht man aber davon aus, dass sich der Trend mit
der Reform umkehrt. GdP-Kreisgruppenchef Jörg Volkhammer meint, dass aus
Potsdam oder Brandenburg (Havel) dirigierte Streifenwagen im Zweifel dort zum
Einsatz geschickt werden, und eben nicht in Werder. „Wenn die Polizei hier
nicht mehr rund um die Uhr repräsentiert ist, geht die Sicherheit baden“,
prophezeit er.
Polizeidienststelle Teltow, Potsdamer Straße, ein maroder DDR-Plattenbau: Zum
Proteststand der GdP davor verirren sich kaum Passanten. Dafür ist die Politik
auch hier gut vertreten, der Landtagsabgeordnete Sören Kosanke ist gekommen,
Teltows Bürgermeister Thomas Schmidt, sein Kleinmachnower Kollege Michael
Grubert. Es sind alles Sozialdemokraten, die Meinungen über die Sparpläne ihres
Parteifreundes und Innenministers Speer gehen dennoch auseinander. Und das gar
nicht so sehr wegen des Teltower Standortes. Zwar warnt GdP-Vertreter Andreas
Bensch, Polizeioberkommissar, davor, dass bei einem Aus für Teltow die Bürger
künftig „jedes Mal bis Potsdam fahren müssten“. Aber dass Teltow den Sparplänen
zum Opfer fällt – zentral zwischen Stahnsdorf und Kleinmachnow im dicht
besiedelten Umland gelegen – will von den Kommunalpolitikern keiner glauben.
Doch für Grubert etwa ist der Sparkurs bei der Polizei grundsätzlich „ein
falsches Signal“, wie er findet. „Der Staat hat sich um Kernaufgaben zu
kümmern, um Bildung, um innere Sicherheit.“ Setzt man bei der Polizei den
Rotstift an, riskiere man „argentinische Verhältnisse“: Wer sich Sicherheit
leisten könne, engagiere sich private Wachdienste.
So weit will sein Teltower Kollege Schmidt nicht gehen. Schmidt hat Verständnis
für die geplante Strukturreform, wenn das Geld nun einmal knapper wird, er
wundert sich aber über die Kommunikationspolitik. „Wir stehen hier, um den
Bürgern Rede und Antwort zu stehen. Von den Verantwortlichen ist niemand da.“
Umso mehr legt sich Sören Kosanke, der SPD-Abgeordnete und Kreischef von
Potsdam-Mittelmark ins Zeug – für die Reform. Es gehe darum, die Polizei
„umzubauen“, sagt Kosanke. Man könne mit 7000 Polizisten Sicherheit im Lande
gewährleisten, man müsse rechtzeitig auf neue Erfordernisse reagieren. Und
genau das geschehe.
In Beelitz macht die CDU gegen die Regierungspläne mobil, wohl nicht zu Unrecht
fürchtet man, dass Beelitz eine der Wachen ist, die zum Polizeiposten
degradiert werden. Seit Ende Mai sammelt der Stadtverband Unterschriften für
den Erhalt. Sollten die Beamten künftig erst aus Michendorf oder Potsdam
anrücken müssen, dann könnten Opfer nur noch auf gute Verkehrsbedingungen
hoffen.