PNN 27.05.10
Von Tobias Reichelt
Kleinmachnow - Es ist ein Theatersaal, herausgeputzt wie sich ihn
viele Kleinmachnower auch wieder für die maroden Kammerspiele erträumen: Eine
große Bühne mit poliertem Steinway-Flügel, 250 samtrote Sitze, eine Empore,
modernste Licht- und Tontechnik samt dazugehörigem Haustechniker. „Wir haben
den schönsten Saal Kleinmachnows“, findet Iris Haugg, Kulturreferentin im
Wohnstift Augustinum. Wenn im Ort über den Kauf, die Sanierung und den Betrieb
der Kammerspiele gesprochen wird, fragt sich Iris Haugg oft warum.
„Normalerweise braucht man die Kammerspiele nicht“, sagt sie. Das Augustinum
biete in seinem Saal jede Menge Kultur, nur die Gäste fehlen.
Seit 13 Jahren gibt es das noble Wohnstift samt Theatersaal am Rande des
Teltowkanals. Seit Eröffnung des Hauses steht der Saal allen Gästen aus der
Region offen, nicht nur den Bewohnern des Augustinums. Trotzdem ist der moderne
Saal oft nur halb gefüllt. „Die Kleinmachnower kommen nicht ins Augustinum“,
sagt Iris Haugg.
Die 45-Jährige ist seit einem halben Jahr für die Kultur im Augustinum
zuständig. Dass die Besucher in den Veranstaltungen nahezu ausschließlich
Bewohner des Wohnstifts sind, möchte Haugg nicht auf das Angebot zurückführen.
„Wir haben ein vielseitiges Programm“, sagt sie. Haugg will sowohl den
Bewohnern als auch allen anderen Gästen Neues anbieten. Es gibt Lesungen,
Konzerte, Theaterstücke, Klassisches, Modernes und Ausgeflipptes. Mit dem
Buch-Autoren und Internet-Blogger Toni Mahoni kommt am 16. Juni sogar ein wohl
nur dem jungen Publikum bekannter Künstler ins Haus. Der Berliner liest
alltagsnahe und schnoddrige Lesegeschichten aus seinem Buch „Gebratene
Störche“.
Toni Mahoni ist ein Versuch und eine kleine Provokation, sagt Iris Haugg. „Ich
möchte, dass die Leute lebendig reagieren“, erklärt sie und meint damit nicht
nur die rund 280 Wohnstift-Bewohner. Im Augustinum soll junges auf altes
Publikum treffen, wünscht sich Haugg. Sie will die Hemmschwelle, die sie bei
vielen Kulturinteressierten in der Region zum Altersheim vermutet, abbauen.
Für 5 bis maximal 9 Euro können Karten im Augustinum zum Beispiel für die
Berliner Kammermusiker erworben werden. Kinder und Schüler haben freien
Eintritt – „für so wenig Geld kommt man nicht mal ins Kino“, sagt Haugg. Vielen
Eltern in Kleinmachnow böte sich im Augustinum die Gelegenheit, ihre Kinder an
Kultur heranzuführen, ohne teure Karten für die Oper oder die Philharmonie in
Berlin kaufen zu müssen.
Möglich ist das nur, weil das Augustinum und seine Bewohner die Kulturarbeit
subventionieren. „Gewinne machen wir nicht.“ Sollten sich Kleinmachnows
Politiker dazu durchringen, die maroden Kammerspiele zu retten, werde es dort
nicht anders sein. „Ich bin keine Gegnerin der Kammerspiele“, sagt Haugg.
„Anscheinend gibt es da Bedarf“, erklärt sie und zuckt mit den Schultern. Den
kulturellen Bedarf könnten die Kleinmachnower aber schon jetzt im Augustinum
stillen: Auf 250 samtig roten Sitzplätzen im wohl schönsten Theatersaal des
Ortes.