PNN 26.05.10
Von Johannes Radke und Henry Klix
Kleinmachnow / Berlin - Ein 14-jähriges Mädchen ist am
Samstagvormittag in Steglitz im Haus ihrer Eltern tot aufgefunden worden.
Möglicherweise starb sie an den Folgen einer Alkoholvergiftung. Nach Aussage
von Bekannten soll die Neuntklässlerin am Abend zuvor bei einer privaten
Schülerparty in einem Einfamilienhaus in Kleinmachnow erhebliche Mengen an
Alkohol getrunken haben. Mitschüler berichten, dass das Mädchen noch in der
Nacht auf ihrem Facebook-Profil geschrieben hatte: „So betrunken war ich
noch nie.“ Am nächsten Morgen war sie tot.
Die 14-Jährige habe schon häufiger getrunken, heißt es im Freundeskreis.
Die Polizei bestätigte am Dienstag lediglich den Tod des Mädchens. Ob der
Alkoholkonsum zum Tod führte, sei noch nicht geklärt. Die Staatsanwaltschaft
hat eine Obduktion des Leichnams angeordnet, um die genaue Todesursache
festzustellen. Bis die Ergebnisse da sind, kann es aber noch einige Tage
dauern.
Erst vor zwei Wochen hatte das Brandenburger Gesundheitsministerium vor dem
sogenannten „Rauschtrinken“ bei Jugendlichen gewarnt. Gesundheitsministerin
Anita Tack (Linke) stellte die Ergebnisse einer anonymen Befragung von 15 000
Zehntklässlern vor. „Es ist uns nicht gelungen, den Trend zum exzessiven
Trinken zu brechen“, fasste die Ministerin das Ergebnis zusammen. Jeder dritte
16-jährige Junge greift laut der Studie mindestens einmal pro Woche zur
Flasche. Für 56 Prozent der Jungen und 59 Prozent der Mädchen dieses Alters ist
mindestens einmal im Monat „Rauschtrinken“ angesagt – also „mehr als fünf
Getränke“ am Abend. Auffallend ist, dass der Alkoholkonsum an Gymnasien höher
ist, als an Förderschulen. Auch die verstorbene 14-Jährige war Gymnasiastin.
Im Berliner Umland wird offenbar tendenziell weniger getrunken als in ärmeren
Regionen, im Norden Brandenburgs weniger als im Süden Brandenburgs, wobei es
Ausnahmen gibt. In Potsdam, im Havelland und in der Prignitz trinken weniger
als 18 Prozent der Jugendlichen wöchentlich Alkohol. Dagegen sind es in den
vier Spitzenreiter-Kreisen Elbe-Elster, Oberspreewald-Lausitz, Dahme- Spreewald
und Oberhavel mehr als 22 Prozent. Vier Kreise hatten die Befragung verweigert.
Bemerkenswert: Auch Potsdam-Mittelmark war darunter.
Der Steglitzer Bezirksbürgermeister Norbert Kopp (CDU) zeigte sich bestürzt
über den Tod des Mädchens. „Es ist ein sehr tragischer Fall“, sagte er. „Wir
sind schon länger intensiv an dem Thema Alkoholmissbrauch dran.“ Seit gut einem
Jahr laufe im Bezirk erfolgreich die Aktion „No Sprits for Kids“, bei der
Ladenbetreiber sich verpflichten, keinen Alkohol an Jugendliche zu verkaufen.
Über 100 Geschäfte seien inzwischen an der Kampagne beteiligt. „Es bleibt ein
großes Problem, dass ältere Jugendliche Alkohol kaufen und an Jugendliche
weitergeben“, sagte Kopp. Darin sieht auch der Vorsitzende des Regionalen
Gewerbevereins Stahnsdorf-Kleinmachnow-Teltow, Georg Lehrmann, das Problem:
„Die Älteren gehen für die Jüngeren in den Laden oder die Getränke werden am
Kneipentisch ausgetauscht. Da können die Geschäftsleute nichts machen.“ Von
einer Selbstverpflichtung wie in Berlin-Steglitz hält Lehrmann deshalb
wenig: „Die gesetzlichen Bestimmungen reichen an sich völlig aus, wenn sie auch
eingehalten werden.“ Letztlich seien die Eltern in der Pflicht, auf ihren
Nachwuchs Acht zu geben – und erzieherisch tätig zu werden. „Eine Patentlösung
für das Problem gab es allerdings schon beim letzten Kaiser nicht“, so
Lehrmann. Der Tod des Mädchens sei eine Tragödie.