PNN 19.05.10
Stahnsdorf - Ein halbes Jahr ist es her, dass sich die Gemeinde
Stahnsdorf gegen die Eröffnung eines neuen Kindergartens entschieden hat. Die
Zahl der Kinder werde abnehmen, die Kita mit geplanten 60 Plätzen stünde leer,
begründete man damals im Rathaus – langfristig betrachtet eine
Fehleinschätzung, sagt jetzt Ruth Barthels, Vizechefin des Amts für Statistik
Berlin-Brandenburg und SPD-Gemeindevertreterin im Ort.
Stahnsdorf ist auf Wachstumskurs, erklärte Barthels. Sie verweist auf die
Zahlen ihres Amtes, die die Bertelsmann Stiftung in ihrem „Wegweiser Kommune“
aufbereitet hat. In dem Zahlenwerk, das im Internet abzurufen ist, finden sich
alle deutschen Kommunen mit mehr als 5000 Einwohner wieder. Zu jedem Ort sind
Prognosen zum Bevölkerungswachstum hinterlegt. Sie zeigen auch die
Wanderungsbewegungen im Land: Die Menschen zieht es in die Städte und deren
„Speckgürtel“.
In Stahnsdorf werden demnach bis zum Jahr 2025 rund 16 000 Menschen leben, rund
2000 mehr als heute, darunter viele junge Eltern mit Kindern. Teltow soll im
gleichen Zeitraum um 1400 Einwohner wachsen, Kleinmachnow und Michendorf um
1000, Werder (Havel) um 900 sowie Schwielowsee um 600 Einwohner – auch hier
werden viele Zuzügler ihre Kinder mitbringen. In Nuthetal wird sich hingegen
kaum etwas verändern. Nur knapp zweihundert Menschen werden herziehen, sagen die
Prognosen. Je weiter die Städte und Gemeinde von Berlin entfernt sind, desto
größer ist die Abwanderung: Beelitz wird bis 2025 rund 600 Einwohner verlieren,
Bad Belzig 1000.
Für junge Familien vorsorgen, das ist eine Aufgabe, der sich vor allem viele Berlin-nahe
Kommunen im Landkreis stellen müssen, sagte Barthels. „Auch in Stahnsdorf
müssen wir wieder über neue Kitas diskutieren.“ Es beim heutigen Stand zu
belassen sei falsch, so Barthels. Stahnsdorf sei auf den Zuzug angewiesen, weil
auf der anderen Seite viele der jetzt im Ort beheimateten Jugendlichen nach
ihrer Schulausbildung wegziehen, die Alten bleiben zurück. Aus eigener
Erfahrung kann Barthels, Mutter zweier Kinder, den Trend bestätigen: „Meine
Kinder sind 20 und 22 Jahre alt. Sie gehen dorthin, wo sie studieren können
oder mehr Geld verdienen.“ Um den Verlust auszugleichen, sei die Gemeinde auf
Nachwuchs angewiesen. Der komme, wenn die jungen Eltern ausreichend gute
Kindergärten vorfänden.
Für die Statistikerin birgt die Bevölkerungswanderung aber auch ein enormes
Konfliktpotenzial: „Es wird schwierig sein, die Infrastruktur im gesamten
Landkreis aufrechtzuerhalten“, sagte sie. Schrumpfende Kommunen in
vereinsamenden Regionen hätten mit finanziellen Einschnitten zu rechnen. Die
Politik müsse entscheiden, wo künftig Unterstützung fließen soll: Auf dem
leeren Land oder am prosperierenden Stadtrand.
„Man sollte sich auf die Berlin-nahen Bereiche konzentrieren“, meint Barthels.
„Alles andere ist nicht bezahlbar.“ So benötige Stahnsdorf nicht nur neue
Kitas, auch Jugendliche müssten im Ort gehalten werden. Mit einer
Bahnanbindung könnte man Stahnsdorf und Kleinmachnow für junge Menschen
attraktiver machen. Sie könnten im Ort leben und gleichzeitig schnell und
bequem die Universität oder ihre Arbeitsstelle in der Stadt erreichen und
selbst eine Familie aufbauen. Für Barthels ist das eine Daueraufgabe: „Da kann
man sich nicht ausruhen.“ Tobias Reichelt