PNN 14.05.10
Von Tobias Reichelt
Kleinmachnow - Kleinmachnow steht vor einem schwierigen
kulturpolitischen Votum: Ende September müssen die Gemeindevertreter über den
Kauf der Kammerspiele entscheiden. Stimmen sie zu, können sie einen lange
gehegten Traum in Angriff nehmen und das Kino- und Theaterhaus an der
Karl-Marx-Straße mit Leben erfüllen – eines stellte Bürgermeister Michael Grubert
(SPD) am Dienstagabend aber klar: Das Vorhaben werde so viel Geld in Anspruch
nehmen, dass andere Kulturprojekte im Ort über Jahre zurückstecken müssten.
„Wir können 3,5 Millionen Euro in den Kauf und die Sanierung der Kammerspiele
stecken oder an anderer Stelle im Ort etwas Neues mit viel Charme aufbauen“,
sagte Grubert am Mittwochabend auf einer Podiumsdiskussion im Kleinmachnower
Sportpark, zu der die BiK (Bürger für gute Lebensqualität in Kleinmachnow)
eingeladen hatte. Unter dem Motto „Kulturräume-Kulturträume“ hatten sich einige
der wichtigsten Kulturschaffenden des Ortes versammelt, um über Sinn und Nutzen
der Wiederbelebung der traditionsreichen Kammerspiele zu debattieren.
„Die Kammerspiele werden für Viele eine Enttäuschung sein“, mahnte BiK-Gemeindevertreterin
Anne von Törne. Der Betrieb des Hauses sei an wirtschaftliche Kriterien
gebunden. Investitionen beispielsweise im Bereich der Bildung seien aus ihrer
Sicht besser angelegt, so von Törne. Die Kammerspiele als neuen Kulturstandort
Kleinmachnows zu etablieren könnte schwierig werden, sagte auch Fotograf Bernd
Blumrich: „Wir leben vor den Toren Berlins, wir haben alles vor der Haustür. Am
Abend fährt man eben in die Stadt, in Kleinmachnow lebt und schläft man.“
Potenzial sei dennoch vorhanden, stimmte ihm Robert Bäuerle, Kneipier im
„Schröders“, zu – nur gehoben habe man es noch nicht im großen Stil. „Es ist
erstaunlich, wie wenige Kleinmachnower abends in die Kneipe gehen“, sagte
Bäuerle. Sein Lokal am ODF-Platz ist wohl das einzige im Ort, das bis tief in
die Nachtstunden geöffnet hat.
Dass sich Kultur auch ohne Millionen-Zuschüsse der Gemeinde etablieren lässt,
zeigt das Beispiel des Kultraums im Kapuziner Weg. Seit einem Jahr gibt es den
Veranstaltungsort mit Wohnzimmeratmosphäre. Er ist ein Geheimtipp. Knapp 1500
Besucher lockte der Kultraum in 18 Veranstaltungen, berichtete Frank Nägele vom
Kultraum-Verein. Zehn Freiwillige organisieren das Angebot ehrenamtlich. „Wir
schlafen in Kleinmachow, unsere Kinder gehen hier zur Schule, wir fahren abends
aber nicht mehr nach Berlin“, sagte Nägele. Aus der kulturellen Not vor Ort
habe man eine Tugend gemacht und sich selbst etwas gesucht. Aber ganz ohne
Zuschüsse geht es auch nicht: Der Kultraum zahlt keine Miete an die Gemeinde.
Nur auf die Kammerspiele zu setzen, sei falsch, sagte Rainer Ehrt. Der Künstler
wirbt mit seinem Verein „Die Brücke“ für einen anderen neuen Kulturort am
Zehlendorfer Damm 200. Gemeinsam mit dem Heimatverein und den Mitgliedern des
Kultraums hat Ehrt ein Nutzungskonzept für das ehemalige Kanalarbeiterhaus
erarbeitet. Ein Atelier und Veranstaltungsraum samt Tagescafé könnte entstehen.
„Kurze Wege sind interessant. Warum sollen wir unsere Gäste an Potsdam oder
Berlin abgeben?“, fragte Ehrt.
Auch Bürgermeister Grubert sieht das Potenzial am alten Dorfkern und wünscht
sich mehr als nur die Kammerspiele. „Der Zehlendorfer Damm 200 muss im Jahr
2011 angepackt werden“, sagte Grubert. Das Haus im Besitz der Gemeinde ist
baufällig. Das Geld dafür sitzt aber nicht locker: „Kultur ist keine
Pflichtaufgabe der Gemeinde, sie ist das Sahnehäubchen, wenn man die
finanziellen Mittel hat“, sagte Grubert. Priorität haben zunächst die
Kammerspiele. Bis zum Herbst muss der marode Bau untersucht werden. Ein
Nutzungskonzept wird erarbeitet. Dann muss eine Entscheidung her: Gehen auf der
einen Seite Träume in Erfüllung, werden andere platzen.