PNN 10.05.10
Kleinmachnow – Die jungen Männer auf ihren Rennrädern staunten nicht
schlecht, als eine ältere Dame scheinbar mühelos an ihnen vorbei den Hügel
hinauf radelte und kurz danach hinter der Anhöhe verschwand. Julian Affeld von
der Kleinmachnower Lokalen Agendagruppe Energie und Klimaschutz schmunzelt,
wenn er die Geschichte erzählt, die manchem anfangs wie Flunkerei erscheinen
mag. Doch Skeptiker wurden am Samstag schnell überzeugt, nachdem sie ein paar
Runden mit einem Pedal Electric Cycle, kurz Pedelec genannt, um den
Kleinmachnower Rathausmarkt geradelt waren.
Hintergrund der Initiative sind zunehmende Belastungen durch den motorisierten
Individualverkehr und den damit verbundenen Kohlendioxid-Emissionen. Zum
Auftakt der Aktion „Tausche Auto gegen Elektrofahrrad“ hatte die Agendagruppe
zum Probefahren eingeladen. Überrascht waren vor allem routinierte Radler, weil
sich die Räder mit nur geringer Kraftanstrengung zu drehen begannen und das
schneller als sonst. Denn der Motor springt schon an nach dem ersten Druck auf
die Pedale. Eigentlich ist es mehr eine Gleitfahrt mit etwas Tretarbeit.
Passionierten Radlern wie der Kleinmachnowerin Heike Ellner mutete das schon
ein bisschen wie „Schummeln“ an. Sie selbst trotzt beim Radfahren allen Wettern
und fährt täglich 40 Minuten mit dem Rad zur Arbeit – nach Potsdam. „Mit dem
Elektrofahrrad“, überlegte sie, „wäre ich dann noch schneller“. Höchstgeschwindigkeiten
bis zu 40 Stundenkilometern schafft ein schnelles Pedelec, das neben einem
leistungsfähigen Motor mit 300 Watt noch mit einer Drei-Gang-Getriebenabe
ausgestattet ist. Hydraulische Felgenbremsen sorgen für sicheres Abstoppen.
E-Bikes, die über 25 Stundenkilometer fahren, brauchen ein Nummernschild.
Unter den ersten Testern war auch Rathaus-Pressesprecherin Martina Bellack. Sie
war überrascht, wie entspannt man auf einem Elektrofahrrad beschleunigen kann.
„Null Kraftanstrengung“, so ihr Fazit. Beschwerlich erschien ihr dagegen das
Gewicht des Rades. Da sie es jeden Tag in den Keller transportieren müsste,
ziehe sie ihr leichtgewichtiges Rennrad vor, so Bellack. Testen will aber nun
die Verwaltung des Rathauses in den nächsten 14 Tagen die Tauglichkeit von zwei
Elektrorädern. „Wir wollen damit auch die Bürger motivieren aufs Rad
umzusteigen“, sagte Bürgermeister Michael Grubert, der selbst an der Aktion
teilnimmt und am Samstag die eigenen Autoschlüssel für den Testzeitraum von 14
Tagen abgab. Erweisen sich die Räder als echte Alternative im
Verwaltungsalltag, will das Rathaus Pedelecs anschaffen, kündigte Grubert an.
Er ist überzeugt, dass sich damit 50 Prozent der Autofahrten einsparen lassen,
da viele nicht über den Nahbereich hinausgehen. An der Testaktion beteiligen
sich auch mehrere Kleinmachnower Haushalte; vom 75-jährigen Senior bis zur
Kinderärztin. Die Erfahrungen aller Teilnehmer können demnächst unter
www.kleinmachnow-fährt-pedelec.de nachgelesen werden. Lob kam vom Umweltministerium.
„Unsere Landesregierung muss mehr dafür tun, dass Radfahren eine höhere
Akzeptanz erfährt“, sagte Staatssekretär Daniel Rühmkorf. Der Weg zur Arbeit
auf dem Rad sollte zur Selbstverständlichkeit werden, dafür müsste allerdings
auch mehr für Radwege getan werden, so Rühmkorf.
Kirsten Graulich