PNN 27.03.10
Kleinmachnow - Es gibt nicht viele Maler, die ihre scheinbar
vollendeten Werke absichtlich Wind und Wetter aussetzen, nur um zu sehen, was
erodierenden Prozesse daraus machen. Der gebürtige Berliner Leonard Gronau hat
seine „Kinder“ nach draußen getragen. Mal war das Glück ihm hold, mal dem
Regen, dem Stürmen, dem Schnee. Er ist also ein Maler, der seine Werke erst mal
in eine Prüfung schickt, statt sie zu hätscheln, zu pflegen. Seine Art ist es
auch, absichtlich gegen den Strich zu arbeiten, genau mit jenen Farben zu
malen, die er nicht ausstehen kann.
Die Ergebnisse überraschen immer wieder, auch ihn selbst. Leonard Gronau, 1980
geboren, Grafikdesigner mit besten Zeugnissen im Hauptberuf, hat den
Kreuzberger Großstadtasphalt vor zwei Jahren gegen die „Kleinmachnower
Vorgartenidylle“ getauscht. Seine Ästhetik ist einer Art Berufsausgleich
geschuldet: Hie die exakten Gesetze des Grafischen am Computer, dort das
suchende Spiel um Farbe und Form, die Selbstvergewisserung am freigewählten
Thema, das Exerzitium, das Experiment.
Unter dem schönen Titel „Hundert Lila“ kann man seine Arbeiten derzeit im
Rathaus Kleinmachnow auf zwei Etagen sehen. Oberflächlich sagt man ihm Freude
am Hässlichen nach. Das tut, wer Kunst noch für etwas Schönes hält. Seit der
altgedienten Moderne geht man eher der Wahrheit nach, auch wenn sie nicht schön
ist. Und noch eines: Als bekennender Subjektivist behauptet er sogar, es gäbe gar
keine objektive Wahrnehmung, jeder schaffe an seiner eigenen Wirklichkeit. Das
bewahrt vor Discount-Realismus – und mehr als sich selbst könne man ohnehin
nicht ausdrücken. Wenn auch in Hunderten Lila.
Die Bedeutung dieser Farbe kann man bei Goethe nachlesen, was sie für Gronau
ist, zeigt diese Exposition zu seinem Dreißigsten sichtbar und unsichtbar:
Suche, Bekenntnis, Vergewisserung, Abgrenzung, tastendes Vorwärts. Den ihm
immer wieder nachgesagten Hang zur Destruktion teilt er mit dem Kleinkind: Es zerstört
seinen Turm, damit etwas Neues gebaut werden kann! Ein solches Motiv gibt es
auch in der Ausstellung, hier werden die Zwillingstürme, in Dutzenden Lilas
glänzend, sinnigerweise „Babel“ genannt! „Zweistromland“, es steht ja groß
dran, ist aber ein Stückchen Berlin. Überhaupt Stadtlandschaften: Als lebende
Luftbilder notabene für „Bomber Harrys“, ein Selbstporträt vor steil
aufsteigenden Wänden, zwei Werke eines Motivs, mal klar und eigen in Farbe und
Form, das andere hat seinen energischen, pinselführenden Handschwung erduldet:
wie Schneegestöber oder Dauerregen perlen Farbkleckse darüber. Der Trick
funktioniert dann aber nicht überall.
Er ehrt seinen Lehrer Hans-Hendrik Grimmling, indem er ihn überwindet, er
stellt eigene Probleme „leicht abstrahiert“ dar, wie eigentlich alles: „Kurz
vor dem Absturz“ schwebt der Kubus noch, „Mittellos“ flächig ist die Figur mit
den überklebten Augen, „Absturz“ (zugleich eine Hommage an seinen Lehrer)
zeigt, wie brillant er mit Raum und Perspektive umzugehen versteht.
Leonard Gronau kann nicht nur stante pede aus der „Ilias“ zitieren. Bücher
haben es ihm grundsätzlich angetan, aufgeschlagene, zugeklappte, antwortende,
nicht selten ein „Schweres Erbe“. Sein Malstil ist kraft- und temperamentvoll,
sehr expressiv, vielleicht etwas flink, sein Pinselstrich immer eigen. Eine
frische, junge, expressive, lebhafte Ausstellung – und dabei auch noch so
ungeheuer Lila!
bis 25. April zu den Öffnungszeiten des Rathauses im Adolf-Grimme-Ring 10