PNN 08.03.10
Potsdam-Mittelmark - Der mittelmärkische Nachwuchs schlägt öfter zu.
Laut aktueller Polizeistatistik des Schutzbereiches Brandenburg sind mehr als
45 Prozent der Gewalttäter jünger als 22. Während die Zahl der
Gewalt-Straftaten insgesamt im Jahr 2008 ein Rekord-Tief erreicht hat (449
Fälle), ist der Anteil der Kinder, Jugendlichen und Heranwachsenden an der Gruppe
der Täter weiter leicht gestiegen – das entspricht einem generellen Trend.
Polizei, Politik und Pädagogen wollen mit dem sogenannten
„Anti-Bullying“-Programm gegensteuern.
„Bullying“ heißt „tyrannisieren“ und schließt sämtliche Praktiken ein, mit denen
stärkere Kinder schwächeren das Leben schwer machen: von Hänseleien bis hin zum
Prügeln. Im Rahmen des Präventions-Programms werden an Schulen Verhaltensregeln
erarbeitet, Konflikte beigelegt und es wird generell auf mehr Wachsamkeit
gesetzt. Gearbeitet wird auf mehreren Ebenen: Schüler, die schikaniert werden,
erhalten Hilfe, während die Täter zum „ernsthaften“ Gespräch mit den Eltern –
und notfalls dem Psychologen – gebeten werden. Im Klassenverband gibt
es Rollenspiele und Schlichtungsgespräche, auf Schulebene werden Foren
veranstaltet und Kummerkästen aufgestellt.
Auch die Karl-Hagemeister-Grundschule in Werder (Havel) will an dem Projekt
teilnehmen. Angeregt hätten es die Eltern, sagte Schulleiterin Erika Wegener
jetzt auf PNN-Anfrage. Auch an ihrer Schule komme es mal zu Konflikten, räumt
die Rektorin ein, „aber das gibt es an jeder Schule“. Pate für die Umsetzung
steht der Stadtverordnete Joachim Lindicke (SPD). Als ehemaliger
Berufsschullehrer kennt er die Konfrontationen unter Schülern. „Wenn 50 Prozent
aller Prüfungsteilnehmer durchfallen, muss man nach den Ursachen fragen“, so
Lindicke im Hinblick auf die Lehrlinge in der Region. Das Übel sieht er im
teilweise sehr rauen Umgang miteinander. Mit dem „Anti-Bullying“-Programm könne
man Schülern, Lehrern und Eltern Hilfestellungen geben und Auseinandersetzungen
zwischen Klassenraum und Pausenhof verhindern. „Wir müssen dringend etwas tun,
sollten sogar schon in den Kitas anfangen“, fordert Lindicke. Als
Kreistagsabgeordneter würde er das Programm gern überall in der Mittelmark
einführen.
Tatsächlich sind nach Angaben des Sozial-Therapeutischen Instituts
Berlin-Brandenburg (STIBB) mit Sitz in Kleinmachnow zunehmend jüngere Kinder
betroffen. „Wir haben schon Schüler der ersten und zweiten Klassen, die unter
Machtspielen leiden“, sagte Leiterin Annelie Dunand. Die Polizei verweist auf
eine Befragung des Landes, derzufolge vier Prozent der märkischen Schüler Angst
haben, zur Schule zugehen. Acht Prozent werden regelmäßig geschlagen und ein
Viertel aller Schüler ist mindestens einmal im Jahr von Gewalt betroffen. Dass
die Täter aus der gleichen Altersgruppe kommen, macht die aktuelle
Polizeistatistik deutlich: 161 Kinder, 606 Jugendliche und fast 800
Heranwachsende haben im Jahr 2008 im Schutzbereich Brandenburg die Fäuste oder
Schlimmeres geschwungen.
An der Hagemeister-Schule wird indes längst auf das friedliche Miteinander
geachtet. Die Einrichtung arbeitet in diesem Jahr unter dem Motto „Die
freundliche Schule - Gutes Benehmen ist in“. Monatlich werden Schwerpunkte
aufgegriffen und im Unterricht thematisiert, wie Wegener berichtete. Da geht es
dann um Ordnung und Sauberkeit, um die Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen
– und um die Schlichtung von Streitereien. Erst im Dezember 2009 hat die Schule
einen Kooperationsvertrag mit der Polizei abgeschlossen. Darin haben sich beide
Seiten zu gemeinsamen Projekten und zum regelmäßigen Austausch verpflichtet.
Reine Formsache, meint die Schulleiterin, denn: „Wir arbeiten seit Jahren eng
mit unserem Revierpolizisten zusammen.“ Der weise Erstklässler in Sachen
Verkehrssicherheit ein und sei immer ein verlässlicher Partner, wenn es um
Präventionsarbeit geht.Thomas Lähns