PNN 18.01.10
Kleinmachnow - Es stand ein mehrfaches Jubiläum ins Haus: Am 14.
Januar war der 135. Geburtstag des Sozial-Mediziners und Friedensaktivisten
Albert Einstein. Vor genau 35 Jahren wurde er Namenspatron der gerade neu
gegründeten Förderschule für geistig behinderte Kinder des Landkreises Potsdam.
Der Kleinmachnower Schriftsteller Paul Herbert Freyer hatte den „Urwalddoktor“
in den letzten Jahren vor dessen Tod 1965 dreimal an seiner Wirkungsstätte in
Lambarene/Gabun besucht und ein Buch darüber geschrieben. Im Sinne der Lehre
Schweitzers von der „Ehrfurcht vor dem Leben“ konnte er das
Albert-Schweitzer-Komitee der DDR dazu bewegen, das Schulprojekt zu unterstützen.
Es galt die Entwicklung von Schülern zu fördern, die nicht in das übliche
pädagogische System zu integrieren waren. Das sollte im Sinne der ethischen
Prinzipien Professor Schweitzers geschehen.
Für den Zweck bot sich 1975 die Villa an, welche 1910 als eine der ersten in
der entstehenden Kleinmachnower Villenkolonie das Schriftstellerehepaar Lily
und Heinrich Braun für sich und ihren Sohn Otto hatte bauen lassen. In dem Haus
wurde fortan von allen drei Brauns an historisch unterhaltsamen und philosophisch-sozialkritischen
Schriften gearbeitet. Bald diente es der Begegnung vieler prominenter Köpfe aus
Kunst, Politik und Wissenschaft zu brennenden Zeitfragen. Es waren die Jahre,
in denen Albert Schweitzer im fernen Elsass den Talar des orgelspielenden
Geistlichen mit dem Arztkittel vertauschte – und in Zentralafrika die Utopie
einer tätigen Lebenshilfe für die Schwachen zur Realität werden ließ. Ein
Leben, wie es auch die Brauns in ihren Büchern zum Programm machten.
Das Verhängnis des ersten Weltkrieges brachte den frühen Tod 1916 von Lily und
1918 von Otto Braun. Das Ehepaar Schweitzer wurde interniert und aus Afrika
ausgewiesen. Es konnte erst Jahre nach dem Krieg den Aufbau des
Urwaldkrankenhauses vollenden. Heinrich Braun setzte sein Werk mit Julia
Braun-Vogelstein bis zu seinem Tod 1927 fort. Die bedeutende
Altertumswissenschaftlerin wurde „aus rassischen Gründen“ 1936 in die
Emigration gezwungen. Sie kehrte nie in ihren geliebten Erlenweg 29 zurück, der
seit 1945 als Kinderheim rettende Adresse für elternlos gewordene Kinder war.
Dass das ab 1975 als „Albert-Schweitzer-Schule“ weiter geführte Haus der hohen
Verpflichtung im Sinn des Braunschen Erbes und Schweitzers Ideen gerecht wird,
war in einem kleinen Ausschnitt an der kleinen Feierstunde am 14. Januar
erlebbar. Wie die Schüler szenisch das Leben Albert Schweitzers darstellten,
war staunenswert. Da wurde unter anderem ein selbst gebasteltes Puzzle in den
Umrissen Gabuns mit Teilstücken aus lockeren Texten des Meisters gefüllt. Die
einfühlsame Arbeit des Lehrkörpers setzt da etwas fort, was unter der
langjährigen Leitung durch Heidrun Meinshausen gewachsen ist. Harald
Kretzschmar