PNN 09.12.09
Von Henry Klix und Tobias Reichelt
AnzeigeKleinmachnow - Der Kleinmachnower Gemeindevorsteher Klaus Nitzsche
möchte seine Stasi-Akte wissenschaftlich begutachten lassen. „Da mir persönlich
die Aufarbeitung und damit verbunden auch meines persönlichen Schicksals in der
ehemaligen DDR am Herzen liegt, würde ich die Erteilung eines
Forschungsauftrages zur wissenschaftlichen Auswertung der zu meiner Person
vorliegenden Akten begrüßen“, sagte Nitzsche gestern gegenüber den PNN.
Nitzsche räumt zwar ein, während seines Studiums in Leningrad für die
Spionageabwehr gearbeitet zu haben. Er bestreitet aber, nach seiner Rückkehr
nach Kleinmachnow als „IM Gerd“ Nachbarn und Freunde ausgespitzelt zu haben.
„Ein Forschungsauftrag würde das belegen, es gibt in meiner Akte kein von mir
verfasstes oder unterschriebenes Papier zu Personen der ehemaligen DDR.“
Er würde sich wünschen, dass das Kleinmachnower Rathaus den Forschungsauftrag
auslöst. „Das klingt vielleicht eitel, aber nach meiner jahrelangen Tätigkeit
für die Gemeinde habe ich das verdient.“ Auch Leute, die es „gut mit mir
meinen“, hätten einen Anspruch auf eine „konkrete, sachliche Aufarbeitung“.
Zudem bestehe für einen solchen Auftrag ein grundlegendes Interesse, da
Nitzsches Akte schon weit vor 1989 archiviert und vollständig erhalten sei.
Nach wie vor lehnt Nitzsche einen Rücktritt als Vorsitzender der
Gemeindevertretung ab. „Ich hänge nicht am Stuhl, aber das geht aus Gründen der
Ehre nicht. Ich fühle mich in keiner Weise belastet.“ Am Donnerstag steht ein
Abwahlantrag seiner SPD-Fraktion auf der Tagesordnung der Gemeindevertretung.
Bereits im April hatten die Gemeindevertreter eine Überprüfung von Nitzsches
Stasi-Akten in Auftrag gegeben. Eine Kommission aus fünf Sachverständigen wurde
gegründet, ihr gehörten unter anderem der Leiter der Gedenkstätte
Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, die Theologin Katharina Doyé aus Nuthetal und
der Brandenburgische Verfassungsrichter Florian Havemann an. Ein Mehrheitsvotum
ergab, dass Nitzsche wegen der MfS-Spitzelei nicht als Gemeinderatsvorsitzender
tragbar sei. Daraufhin stellten SPD-Gemeindevertreter einen Abwahlantrag.
Eine Mehrheit scheint aber nicht sicher. So begrüßte der
Grünen-Gemeindevertreter Axel Mueller gestern Nitzsches Vorstoß. „Klaus
Nitzsche soll die Möglichkeit erhalten, zum Vorwurf Stellung zu nehmen“, sagte
Mueller. Es sei notwendig die Akte wissenschaftlich und historisch
aufzuarbeiten. Eine inhaltliche Debatte um das Ergebnis der Kommission sei
nicht geführt worden, so Mueller. Er sprach von einer „inszenierten“ Abwahl,
die jetzt zu früh angesetzt sei. Dem widersprach SPD-Fraktionschefin Susanne
Krause-Hinrichs gestern entschieden: „Es geht darum, dass Herr Nitzsche erstmal
den Posten räumt“, sagte sie. Im Nachhinein könne man die Akte aufarbeiten.
Kritisch zeigte sich auch CDU-Fraktionschef Bernd Krüger: Er verurteilte
Nitzsches Vorstoß als „Taschenspielertrick“, der lediglich seinen „Helfershelfern“
nutze. „Es geht am Donnerstag darum, dem Mehrheitsvotum der Prüfkommission zu
folgen“, appellierte Krüger an alle Gemeindevertreter. Ein wissenschaftliche
Untersuchung der Akte mache „überhaupt keinen Sinn“. Krüger forderte Nitzsche
erneut zum Rücktritt auf: „Herr Nitzsche hat doch nichts zu verlieren. Er muss
sein Mandat als Gemeindevertreter nicht abgeben“, sagte Krüger.
Das Meinungsbild der Fraktion der Linken sei „unterschiedlich“, sagte gestern
Fraktionschef Klaus-Jürgen Warnick. Er selbst warb für eine Abwahl Nitzsches,
um weiteren Schaden von der Gemeinde abzuhalten. Warnick sagte aber auch, dass
es in der Stasi-Debatte um Nitzsche innerhalb der Gemeindevertreter
offensichtlich nicht mehr um die Frage der Schuld oder Unschuld ginge. Vielmehr
sei die Diskussion von künftigen Kräfteverhältnissen in der Vertretung bestimmt.