PNN 07.12.09
on Peter Könnicke
Kleinmachnow - Es ist fünf vor Zwölf! Wieder mal. Es ist die x-te Protest-Demo
vor der Kleinmachnower Schleuse und wieder einmal beschwörte Gerhard Casperson
gestern Nachmittag die Protest-Gemeinde mit mehr als 100 Teilnehmern, den
Ausbau der Schleuse zu verhindern. „Wahnwitzig“ sei die Idee,
„verschwenderisch“ die 40-Millionen-Euro-Investition.
190 Meter lang soll die Schleuse werden, jetzt sie gerade mal halb so groß. Die
Idee des Ausbaus ist fast so alt wie die Wende – 1991 entwarf der damalige
Bundes-Verkehrsminister Wissmann das Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit Nr. 17“
– den Ausbau der Wasserstraße von Hannover bis Berlin. Die Kleinmachnower
Schleuse und der Teltowkanal markieren quasi das letzte Wegstück dieses Plans.
Beim Kanal spricht man inzwischen nur noch von Ertüchtigung statt Ausbau.
Gleiches reiche auch für die Schleuse, predigen daher die Ausbau-Gegner schon
seit Jahren. Denn es würden nie so viele Schiffe kommen, um die Investition und
die Eingriffe in Natur und Landschaft zu rechtfertigen. Und man lasse sich
nicht von dem Argument des Wasserstraßen-Neubauamtes „einwickeln“, die
190-Meter-Schleuse sei die umweltfreundlichere Variante, weil somit Kopplungs-
und Wartestellen wegfallen, die man bei einer kleineren Schleuse in den
Uferbereichen anlegen müsste. „Blödsinn“, ereifert sich Casperson – schon seit Jahren
an vorderster Front der Ausbau-Gegner – gegen einer derartige „Täuschung“. Beim
aktuellen Aufkommen von einer Millionen Gütertonnen, die durch Kleinmachnow
geschleust werden, seien das drei bis vier Schiffe am Tag. Eine große Schleuse,
die zwei Schiffe gleichzeitig aufnehmen kann, „würde man also einmal am Tag
auf- und zu machen.“ Dafür 40 Millionen Euro auszugeben und Uferzonen
abzubaggern wäre „ökonomischer und ökologischer Unfug“.
Das Wasserstraßen-Neubauamt (WNA) ist gegen solche Rechenbeispiele resistent.
Vielmehr sieht dessen Leiter Rolf Dietrich künftig eine breite Rohstoff-Palette
von „Biomasse, Zement, Getreide, Stahl, Papier, Mineralöl“ über den Kanal
schippern. Und stolz bilanziert er, dass sich in den letzten fünf Jahren das
Tonnageaufkommen an der Machnower Schleuse verdreifacht habe - auf nunmehr
etwas mehr als eine Million Tonnen pro Jahr. Dass die Pläne für eine
190-Meter-Schleuse ursprünglich auf einer Prognose von jährlich zehn Millionen
Tonnen basieren, erwähnt er nicht. Und unbeirrt dieser Abweichung zwischen
einst kühn erwartetem Soll und aktuellem Ist verrichtet das WNA seinen Dienst:
Die Behörde hat inzwischen den 40-MillionenAuftrag ausgeschrieben, das Echo aus
der Baubranche ließ nicht lange auf sich warten. „Wir haben schon 40 Bewerbungen“,
resümiert Dietrich. Im kommenden April soll der Auftrag vergeben werden, im
Herbst könnte Beginn der drei- bis vierjährigen Bauzeit sein – vorbehaltlich
möglicher Verzögerungen, die es bei einem solch großen Vergabeverfahren immer
geben könne. „Gebaut“, so versichert Dietrich, „werde aber auf jeden Fall, denn
die 70 Jahre alte Schleusenkammer muss ersetzt werden.“
Dagegen haben die Kritiker auch gar nichts einzuwenden. Doch die Größenordnung
sei entscheidend. Als Landesvater Matthias Platzeck und sein damaliger
Verkehrsminister Frank Szymanski vor fünf Jahren selbst dem Bund eine
115-Meter-Schleuse als ausreichend vorschlugen, machte das in Kleinmachnow
Hoffnung. Umso größer ist heute die Wut und Enttäuschung über das „Zaudern und
Zögern“ an der Landesspitze. „Die muss klar Schiff machen und endlich Position
beziehen“, forderte daher Kleinmachnows SPD-Gemeindevertreter Jens Klocksin.
„Wir werden den Einzug in den Landtag nutzen, um Platzeck an seine einstige
Position gegen den überdimensionierten Schleusenausbau zu erinnern“, so der
Bündnisgrüne Michael Jungklaus. Andreas Bernig von den Linken bekräftige die
Position seiner Partei gegen eine Riesen-Schleuse. Und für die
FDP-Landtagsfraktion kündigte dessen Vorsitzender Hans-Peter Goetz noch für dieses
Jahr einen Antrag an. Wortlaut: „Der Landtag lehnt die 190-Meter-Schleuse in
Kleinmachnow ab und fordert die Landesregierung auf, den Ausbau zu verhindern.“