PNN 28.10.09
Von Tobias Reichelt
Kleinmachnow - Kleinmachnows Vorstadtidylle hat seine Grenzen:
„Wenn Menschen eng aufeinander hocken, gehen sie sich irgendwann auf den
Geist“, sagt Benjamin Hermsdorf. Die Alten wollen ihre Ruhe und die
Jugendlichen wissen nicht, was sie mit sich anfangen sollen. Was folgt, sind
Probleme: Die einen sind unhöflich, die anderen spießig, die einen zu alt, die
anderen zu laut. Ein Jahr lang hat sich der 23-jährige Mediengestalter mit
einem Videoprojekt im Rahmen seiner Ausbildung am Audiovisuellen Zentrum an der
Uni Potsdam dem Thema gewidmet. Herausgekommen sind 16 Minuten Film, die zum
Nachdenken anregen sollen und im Internet zu sehen sind.
Skateboards auf dem Rathausmarkt sind verboten, Busse nach Berlin fahren zu
selten, Freiflächen werden zugebaut, Bolzplätze sind unbespielbar, und Anwohner
beschweren sich über die lauten Jugendlichen: „Hier ist gar nichts, das einzige
was du machen kannst, ist saufen“, lautet deshalb das Urteil einer jungen
Kleinmachnowerin in Hermsdorfs Film. Ihr Name bleibt unbekannt. Ihr Problem und
das ihrer Freunde aber nicht: „Für die Jugend wird hier nichts gemacht“, sagen
sie im faden Licht einer Straßenlaterne. Regelmäßig trifft sich die Gruppe am
Rathausmarkt. Hier haben die Läden bis 22 Uhr geöffnet. Der Alkohol ist billig.
Probleme mit Anwohnern gibt es immer wieder – und die, auch das bestätigt
Hermsdorfs Film, kommen mit den Jugendlichen nicht zurecht: „Wir haben auf dem
Rathausmarkt viele Schüler, die sich daneben benehmen“, sagt Kleinmachnows
Ordnungsamtsleiter Eckard Dehne. Wo sich die Jugendlichen stattdessen
beschäftigen könnten, weiß auch er nicht genau: „Wir haben die
Jugendfreizeiteinrichtung und die Sportvereine“, zählt er auf, „Ich nehme an,
dass noch ein bisschen was fehlt“, sagt Dehne dann. Für Benjamin Hermsdorf ist
der Fall klar: „Da treffen Welten aufeinander, die sich nicht verstehen.“ Der
Filmemacher kennt die Probleme in seinem Heimatort selbst gut genug. Erst als
Kind und später als Heranwachsender war auch er auf der Suche nach Treffpunkten
in Kleinmachnow. Mit 13 Jahren wurde er das erste mal von der Polizei von einem
Spielplatz weggeschickt. Dort ist spielen nur bis zum zwölften Lebensjahr
erlaubt. „Wir hatten nur einen Ball dabei, aber waren wohl zu laut“, sagt
Hermsdorf. „Wir mussten uns dorthin zurückziehen, wo wir ungestört waren.“ Für
Hermsdorf und viele Kleinmachnower Jugendliche war und ist das noch heute oft
das Fath-Gelände am Stahnsdorfer Damm – eine alte Industriebrache, früher
wurden hier Lkws repariert, heute sind die Wände bunt besprüht, Fensterscheiben
herausgeschlagen. Es ist der Abenteuerspielplatz schlechthin, aber gefährlich
und zudem verbotenes Terrain: Überall gibt es tiefe Gruben, die Häuser sind
stark einsturzgefährdet. Viele Eltern und Politiker wollen die Jugendlichen
deshalb auch dort nicht sehen.
Eine Alternative bietet die Jugend- und Freizeiteinrichtung (JFE). Hier werden
Graffiti-Kurse angeboten, Instrumente gespielt und vieles mehr. Doch auch hier
gibt es Probleme: Im Keller der JFE ist der Affenclub zu finden. Schon seit 36
Jahren gibt es den Club. „Gerne gesehen ist er in Kleinmachnow nicht“, sagt
Affenclub-Chef Tommy im Film. Und nicht nur das: Dem Club fällt es zunehmend
schwerer, ehrenamtliches Personal zu finden. „Die Jugendlichen haben zu nichts
mehr Lust“, sagt der Club-Chef.
Für Filmemacher Benjamin Hermsdorf ist ganz klar die Politik im Zugzwang: „Den
Politikern fällt es schwer, die Jugendlichen zu verstehen“, sagt Hermsdorf.
Deshalb fordert er mehr Bereitsschaft zum Zuhören oder zumindest zum zusehen.
Mit ein paar Klicks im Internet fällt der erste Schritt jetzt ganz leicht.
Die Reportage „Junges Kleinmachnow“ ist zu finden bei Youtube.de oder auf den
Internetseiten der Bik unter www.bik-kleinmachnow.de