PNN 01.10.09
Kleinmachnow/Karlsruhe - Das Bundesverfassungsgericht hat die
Rückgabe ehemals jüdischer Grundstücke in der Sommerfeld-Siedlung in
Kleinmachnow abgelehnt. Der Gesetzgeber habe bei der Wiedergutmachung von
NS-Unrecht einen besonders weiten Spielraum, weil es von einer „dem Grundgesetz
nicht verpflichteten Staatsgewalt“ zu verantworten sei, heißt es in einem am
Mittwoch in Karlsruhe veröffentlichten Beschluss. Dass 1997 die Rückgabe von
Grundstücken aus dem Eigentum von Siedlungsunternehmen gesetzlich
ausgeschlossen worden sei, kann laut Gericht zwar zu Härten und
Ungerechtigkeiten für die Betroffenen führen. Allerdings sei die Vorschrift
nicht „willkürlich“ und damit vom Grundgesetz gedeckt.
Die Grundstücke in Kleinmachnow gehörten 1933 zum Vermögen einer
Siedlungsgesellschaft, an der der jüdische Bauunternehmer Adolf Sommerfeld
knapp 80 Prozent der Anteile hielt. Sommerfeld wurde 1933 von SA-Männern in
seinem Haus überfallen und beschossen und floh kurz darauf aus Deutschland. Die
Bauparzellen waren schrittweise schon seit 1930 von der Siedlungsgesellschaft
an Privatleute verkauft worden. Im Zuge der von den Nazis betriebenen
„Arisierung“ gingen die Verkäufe weiter, das strittige Grundstück wurde 1934 an
Privatpersonen veräußert. Es gehört heute den Nachkommen der Käufer.
Von dem Musterverfahren sind nach Angaben des Berliner Anwalts Christian Meyer
– der die rund 20 Sommerfeld-Erben vertritt – etwa 700 anhängige Klagen
betroffen. Er nannte die Entscheidung „nicht nachvollziehbar“, weil die
Betroffenen damit völlig leer ausgingen, und kündigte eine Beschwerde beim
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg an.
Nach den Worten einer Kammer des Ersten Senats hat der Gesetzgeber den Schutz
der späteren Siedler, die die Immobilien bis 1945 zu den seinerzeit üblichen
Preisen kauften, höher gewichtet als die Interessen der NS-Opfer. Dies sei
„jedenfalls nicht sachwidrig“, heißt es in dem Beschluss.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gab es zwar im Westen
Wiedergutmachungsgesetze und sogenannte Restitutionsansprüche für Verfolgte des
NS-Regimes, nicht jedoch in der ehemaligen DDR. Erst nach der Wiedervereinigung
wurden auch für das Beitrittsgebiet Restitutionsansprüche eröffnet. Allerdings
wurden Rückabwicklungen in solchen Fällen ausgeschlossen, in denen
Privatpersonen das von den Nazis enteignete Wohneigentum zu üblichen Preisen
gekauft hatten. Aufgrund dieser Ausnahmeregelung hatte bereits das
Bundesverwaltungsgericht im Juni 2007 eine Rückübertragung von Teileigentum in
der Sommerfeld-Siedlung abgelehnt. dpa/ddp/AP
www.bundesverfassungsgericht.de Link „Entscheidungen“