PNN 18.08.09
Kleinmachnow - Das war zu viel für Helge Niederle: Eine Gruppe von
betrunkenen Jugendlichen, die auf dem Kleinmachnower Rathausmarkt über wehrlose
Mädchen herfallen. Sie hielten sie fest, grölten umher, sprangen vor Autos auf
die Straße und zerschlugen die Bushaltestelle. 13- bis 14-Jährige außer Rand
und Band. „So geht das nicht mehr“, sagt Niederle und wirkt angespannt.
Die Wut im Bauch des Musikschullehrers war groß nach dem Vorfall auf dem
Marktplatz vor einigen Wochen. Der 39-Jährige hatte schon viel erlebt, aber das
noch nicht. Er beschloss, etwas zu tun: Mit einem neuen Projekt in seiner
privaten Musikschule macht er nun seit Beginn der Sommerferien auf die Zustände
im Ort aufmerksam. Gleichzeitig will er helfen. „Wir können aber nicht immer
nur gegen die Jugendlichen was machen, sondern müssen auch für sie etwas tun“,
sagt Niederle. Seit vier Wochen können deshalb interessierte Jugendliche in
seiner Musikschule „The! Music School“ auf dem Kleinmachnower Seeberg umsonst
ein Instrument spielen lernen. Sechs Nachwuchsmusiker haben sich bereits
gemeldet. Die Jugendlichen können sich ausprobieren. Der diplomierte Musiker
gibt Anleitung, zeigt, wo es günstige Instrumente gibt und schickt seine
Schüler mit Hausaufgaben nachhause. Alles kostenfrei und ohne Verpflichtungen
bis auf eine: „Drogen und Alkohol gibt es hier nicht“, sagt Niederle.
Seine Schüler kennen seine Einstellung, sie respektieren sie und – darauf legt
Niederle besonders Wert – sie ändern ihr Leben, wenn sie die Musik fasziniert.
„Wir müssen den jungen Leuten zuhören“, sagt der Musiklehrer, der früher selbst
Berufs-Rockmusiker war. Nachdem Niederle seine Laufbahn beendete, eröffnete er
vor neun Jahren in Kleinmachnow seine Musikschule auf dem Seeberg. Mehrmals zog
er auf dem Gelände um. Heute unterrichtet er in einem Raum im Heizhaus der
Internationalen Schule, das gerade teilsaniert wird.
Mit der Internationalen Schule habe Niederle bereits gesprochen. Sie hätten ihm
ihre Hilfe und mehr Platz angeboten. Die Musikschule soll auch nach dem Ausbau
des Heizhauses bleiben dürfen und sogar mehr Räume bekommen.
„Ich möchte schlummernde Talente entdecken“, sagt der ehrgeizige Musiklehrer.
Es scheint nichts zu geben, was Niederle gerade nicht anpackt: Neue
Internetprojekte für seine Musikschule, ein Online-Magazin, Verhandlungen mit
Sponsoren, mit Radiosendern und auch Stars wie dem Gewinner einer Fernsehmusikshow,
Martin Kesici. Kesici will Niederle helfen und könnte als Musikschullehrer
aushelfen.
Zudem verhandelt Niederle mit der Gemeinde Kleinmachnow, wirbt für sein
Projekt, um Zuschüsse. Er will eine Musikschule nach schwedischem Prinzip
verwirklichen: Der Unterricht und die Proberäume sind dort kostenlos. Im
Gegenzug wird von den Jugendlichen Leistung gefordert: Regelmäßige Proben,
Aufnahmen im Tonstudio und Auftritte – zum Beispiel auf dem Rathausmarkt – ganz
so wie im echten Leben eines Musikers, sagt Niederle. „Wir müssen endlich
aufwachen“, wirbt der Musiklehrer für seine Projekte. Tobias Reichelt
Weitere Infos im Internet unter www.themusicschool.de