PNN 25.06.09

 

Notlehrer dürfen keine Noten geben

GEW kritisiert Kleinmachnower Schulfonds, Bildungsministerium empfiehlt ihn zur Nachahmung (25.06.09)

Kleinmachnow / Potsdam - 100 000 Euro jährlich wird Kleinmachnow künftig bereithalten, um in Krankheitsfällen Lehreraushilfen zu finanzieren – pensionierte Lehrer, Studenten oder Referendare sollen zum Einsatz kommen, ein Novum im Land Brandenburg. Während das Bildungsministerium den am Dienstag gebildeten kommunalen Schulfonds für Ersatzlehrer als Vorbild für andere Gemeinden sieht, kritisierte die Lehrergewerkschaft GEW das Vorhaben. „Ich kann eine Kommune verstehen, die etwas gegen Ausfallstunden unternehmen möchte“, sagte GEW-Landeschef Günther Fuchs gestern den PNN. „Das kann aber nicht dazu führen, dass das Land aus seiner Pflicht entlassen wird.“

Der Fall Kleinmachnow zeige, dass die Vertretungsreserve im Land mit drei Prozent viel zu niedrig angesetzt sei. Der Unterrichtsausfall sei viel größer – laut Bildungsministeriums acht Prozent. Das Schulsystem sei „chronisch unterfinanziert“ und laufe auf Verschleiß, sagte Fuchs. Lehrer der Sekundarstufe I müssten 26 Wochenstunden unterrichten, „das ist bundesweit Spitze“. Hinzu kämen Vor- und Nachbereitungszeiten sowie ein zunehmender Verwaltungsaufwand für Evaluierungen, Vergleichsarbeiten, Schulprogramme und schulinterne Curricula. Anrechnungsstunden auf zusätzliche Arbeiten, wie sie in anderen Bundesländern gewährt werden, würde es in Brandenburg kaum noch geben. „Die Lehrer arbeiten an der Belastungsgrenze. Wenn jemand ausfällt, bricht das Chaos aus.“ Währenddessen würden viele junge Lehrerabsolventen auf eine Anstellung warten, „Nothilfeprogramme machen gar keinen Sinn, solange noch genügend Lehrer zur Verfügung stehen“, so Fuchs. Der Gewerkschafter betonte, dass Schüler einen Anspruch darauf hätten, von hochqualifizierten Fachleuten unterrichtet zu werden. Die Ersatzkräfte, die in Kleinmachnow für 15 Euro pro Stunde eingesetzt werden sollen, könnten allenfalls eine „qualifizierte Aufsicht“ gewährleisten. „Wir werden sehr genau darauf achten, dass es keine Erosionen gibt.“

„Im Prinzip“, so hieß es gestern auch vonseiten des Bildungsministeriums, könnten die Kleinmachnower Aushilfslehrer nur eine betreuende Funktion ausüben. In der Praxis müssten sich die Ersatzlehrer aber auch nicht „dümmer stellen als sie sind, sie können den Stoff vertiefen“, so Ministeriumssprecher Stephan Breiding. Der Kleinmachnower Schulfonds sei in diesem Sinne ein Beitrag, um die Schüler nicht mehr nach Hause schicken zu müssen. Zensuren geben, Klausuren oder Tests schreiben lassen dürften die Ersatzlehrer nicht.

Deshalb entlaste die Kommune das Land mit dem Modellprojekt nicht, wie Breiding betonte: „Wir müssen weiterhin schnellstmöglich nach adäquaten Fachkräften suchen, die die kranken Lehrer ersetzen.“ Bis dahin sollen in Kleinmachnow die Aushilfskräfte ran, wobei die Kommune vermutlich auf ähnliche Probleme stoßen werde wie das Land, prognostizierte Breiding: „Es ist immer schwer, Ersatz zu finden, der bereit ist für wenige Wochen einzuspringen“.

Wenn auch andere Kommunen ihren Schulen mit zusätzlichem Personal helfen wollen, sei das „wünschenswert“, so Breiding. So könnten Gemeinden Schulsozialarbeiter anstellen. Grundsätzlich werde das Land seine Personalhoheit nicht an Schulen oder Kommunen abgeben, betonte Breiding. Auch künftig könne Kleinmachnow keine vollwertigen Lehrer einstellen. Henry Klix, Tobias Reichelt