Kleinmachnow – Die „Teltow-Werft" liegt in Berlin-Zehlendorf! Was
kurios erscheinen mag, wird erst durch die Geschichte des Landkreises Teltow
verständlich, denn der erstreckte sich einst bis nach Wilmersdorf und Tempelhof
im Norden, Babelsberg im Westen und Zossen im Süden. Auf einer Fahrt über den
von Ernst von Stubenrauch initiierten und 1906 von Kaiser Wilhelm II.
eröffneten Teltowkanal staunten am Samstag selbst Einheimische über die
wechselvolle Historie von Werft und Gewässer.
Die Geschichte des Teltowkanals stand im Mittelpunkt des diesjährigen
Kleinmachnower Schleusenfestes. Denn erst seit 20 Jahren kann die Strecke
wieder von allen frei befahren werden. Wo zu DDR-Zeiten noch an beiden Ufern
bewaffnete Grenzposten patrouillieren, ziehen jetzt wieder Wassersportler und
Binnenschiffer ihre Bahnen. Eine Ausstellung auf dem Festplatz an der Schleuse
zeigte dementsprechend den Teltowkanal als deutsch-deutsche Grenze, das neue
Informationszentrum „Linie 96“ präsentierte sich der Öffentlichkeit, es gab
jede Menge Stände, und sogar die MS Moby Dick wich
von ihrem herkömmlichen Kurs ab und pendelte unter Händels Wassermusik zwischen
Kanal und Machnower See.
Unterdessen unternahm die Barkasse „Pirol“ einen Ausflug in die mehr als
hundertjährige Kanalgeschichte. Vorbei am „Dorf Kleinmachnow“, dessen Kirchturm
die Baumwipfel am Machnower See überragt, ging die
15-minütige Fahrt durch die grüne Kanalauenlandschaft. Die Fahrgäste erfuhren
unterwegs von den handfesten Problemen, die den Kanalbau Ende des
19.Jahrhunderts immer dringlicher werden ließen – weil der Region die
Entwässerung fehlte. So war es der Initiative des „eisernen Landrates“ Ernst
von Stubenrauch zu verdanken, dass mit dem Bau des Kanals – einem der
modernsten jener Zeit – auch der wirtschaftliche Aufschwung in die
Ackerbürgerstadt Teltow einzog. Schiffe wurden mit Hilfe von elektrischen
Treidelbahnen, deren Gleise auf beiden Seiten des Kanals lagen, per Stahlseil
durch die Wasserstraße gezogen. Die Schleppgeschwindigkeit für vollbeladene Kähne betrug rund vier bis sechs Kilometer pro
Stunde. Den Strom für die Treidelei lieferte die
„elektrische Centrale“ auf dem Gelände der Werft.
Doch nicht nur die 20 Lokomotiven wurden mit Energie versorgt, auch an die
Industrie konnte billig Strom abgegeben werden, was weitere Firmen bewog, sich
am Teltowkanal anzusiedeln. Neben dem Kraftwerk befanden sich einst auch
Werkstattgebäude für die Kanalkähne. Den einstigen Hafen, der als kurzer
Stichkanal in das Gelände der Zehlendorfer Sachtlebenstraße
gebaggert wurde, gibt es noch heute.
An der Teltow-Werft existierten früher zwei Brücken, eine über der
Hafeneinfahrt, eine weitere zwischen Zehlendorf und Teltow, die die Werft mit
dem Betriebsteil auf der Teltower Seite verband. Im Zweiten Weltkrieg ist die
Treidelbahn zerstört worden, mit dem Mauerbau wurde auch die Werft stillgelegt.
Auf Hafengelände ist allerdings noch Einiges aus den Anfangsjahren erhalten
geblieben. Das ehemalige Dienstgebäude ist heute ein Wohnhaus, die Kesselhalle
des Kraftwerkes wird mittlerweile als Lagerraum genutzt.
Seit einigen Jahren ist auch in den Hafen wieder Betrieb zurückgekehrt. Die auf
Wasserbau spezialisierten Firmen Berhard Bunte und
Heinrich Hirdes haben mit Arbeitsschiffen am Kai
angelegt. Doch die meisten Häfen, wie zum Beispiel der Osthafen, würden
stillgelegt werden, wie Hans Joachim Bunzel vom
Wasser- und Schifffahrtsamt auf der Fahrt kopfschüttelnd berichtete. Künftig
werden auch keine neuen mehr gebaut. Eigentlich sei es schade, dass die alten
Häfen ungenutzt bleiben, fanden auch die Passagiere auf der „Pirol“. „Dabei
finden Sportboote oft keine Möglichkeiten, um anzulegen", so Bunzel. Er hoffe, „dass sich die entsprechenden Stellen mal
zusammensetzen". Kirsten Graulich