PNN 17.06.09

 

Warnung vor "Verkehrsinfarkt"

Klocksin fordert Teltow-Tram und bemüht Geschichte

Kleinmachnow - Entsetzen beim Brandenburger SPD–Verkehrsexperten und Kleinmachnower Gemeindevertreter Jens Klocksin nach der Absage an die Straßenbahnanbindung von Potsdam nach Teltow: „Das ist verkehrspolitische Kleinstaaterei“, schäumte Klocksin. Die Kreistagskoalition hatte am Montag ihr Nein zu den Tramplänen damit begründet, dass die Region Teltow im Vergleich zu den dünner besiedelten Teilen des Landkreises „sehr gut“ in den ÖPNV eingebunden sei. Dazu Klocksin: „Solche Aussagen sind belanglos und geprägt von einer verkehrspolitischen Leitlinie die in keiner Weise zukunftsorientiert ist.“

Noch am Montagabend hatte Klocksin bei einer Informationsrunde im Kleinmachnower Seniorenzentrum erklärt, warum der ÖPNV in der Region gestärkt werden müsse. Dazu blickte er in die Geschichtsbücher. Schon vor über einhundert Jahren sei mit dem Bau der heute fehlenden Verkehrsverbindungen begonnen worden: Eine Straßenbahn fuhr durch Kleinmachnow, Stahnsdorf und Teltow. Zusätzlich transportierte die Stammbahn Passagiere von Magdeburg über Potsdam, Griebnitzsee und Kleinmachnow bis in die Hauptstadt. Später gab es noch die S-Bahn, die die Stahnsdorfer auf der Trasse der Friedhofsbahn nach Wannsee fuhr. Sogar der Ringschluss von Stahnsdorf nach Teltow wurde bis 1939 vorbereitet – heute zeugen Aushübe an der Ruhlsdorfer Straße in Stahnsdorf von den Plänen. Weltkrieg und Mauerbau beerdigten das 1892 geschmiedete Vorhaben des Städteplaners Johann Anton Wilhelm von Carstenn, Potsdam und Berlin mithilfe der Verkehrswege über Kleinmachnow, Teltow und Stahnsdorf zu einer großen Metropole zu verbinden.

Der geschichtliche Einschnitt wirkt bis heute: 20 Jahre nach dem Fall der Mauer sind die drei Nachbarn deutlich schlechter an den Schienenverkehr angebunden und mit Bussen versorgt als vor dem Mauerbau 1961. Klocksin: „Wir laufen dem Zustand der Vergangenheit hinterher.“

Noch 1936 hieß es in einem Zeitungsartikel über die neue Kleinmachnower Wohnsiedlung bei Düppel: „8 000 Siedler ohne Bahnstation“ – schon drei Jahre später fuhr die S-Bahn. Doch während in den Bahnhöfen in Düppel oder am Stahnsdorfer Friedhof die Zeit nach dem Mauerbau stehen blieb, lief sie ringsum weiter: Heute warten über 50 000 Einwohner in der Region auf weitere Bahnanschlüsse, darunter auch das gerade vorgestellte S-Bahn-Projekt zwischen Zehlendorf und Kleinmachnow (PNN berichteten).

Die S-Bahn nach Teltow reiche nicht, sagte Klocksin. Allein zwischen 1992 und 2007 seien die Einwohnerzahlen in Stahnsdorf um 75, in Kleinmachnow um 71 und in Teltow um 33 Prozent gewachsen. Zusammengenommen würden die drei Orte die viertgrößte Stadt Brandenburgs bilden, erläuterte der Politiker.

„Der Verkehr wird dort gebraucht, wo die Menschen leben“, sagte er. Gleiches gelte für die geplante Straßenbahn nach Teltow: Bereits 1996 wurde das Projekt auf seine Wirtschaftlichkeit geprüft – mit Erfolg. „Die Straßenbahn ist sicher, sauber und pünktlich. Wenn sie auf eigener Trasse fährt, ist sie jedem Bus im Stau überlegen“, so Klocksin. So dringend, wie die Region eine bessere Verbindung nach Berlin benötige, brauche sie auch eine Verbindung nach Potsdam.

Ohne Bahnanbindung werde der Trend zum Auto anhalten, warnt Klocksin. Schon jetzt sind im Schnitt in kaum einer deutschen Region so viele Fahrzeuge auf den Straßen wie hier. Allein in Kleinmachnow kommen auf 19 000 Einwohner fast 13 000 Autos. „Wenn wir so weitermachen, arbeiten wir auf einen veritablen Verkehrsinfarkt hin“, mahnt Klocksin. Statt Straßen-Schlagadern zu bauen, die den Verkehr in die Gemeinden pumpten, muss der ÖPNV gestärkt werden – so wie es die Vorfahren planten und die Menschen heute noch benötigten.