PNN 11.04.09

 

Brandenburg-Berlin


Von Alexander Fröhlich

Mit Gott und gegen den Trend

In Brandenburg sinkt die Zahl der Gläubigen – das Berliner Umland erlebt Aufschwung kirchlichen Lebens (11.04.09)

Falkensee – „Wenn man so will, ist es eine Auferstehung“, sagt Pfarrer Wolfram Fromke (46). Und er meint damit nicht etwa das Osterfest, sondern den Aufschwung, den Kirchengemeinden am Berliner Stadtrand nach dem Mauerfall erlebten. Seit Fromke 1995 im havelländischen Falkensee seinen Dienst antrat, ist die evangelische Heilig-Geist-Gemeinde auf das Dreifache gewachsen, knapp 2600 Gläubige zählt sie heute. Es ist die größte Gemeinde von insgesamt zehn in Falkensee, aber noch bis vor einem Jahr hielt Fromke seine Gottesdienste in der kleinsten Kirche weit und breit ab.

Inzwischen gibt es einen Licht durchfluteten Kirchenneubau, einen der wenigen seit der Wende in Ostdeutschland. Innen ist das Gebäude protestantisch schlicht mit viel Glas, weißen Wänden und hölzerner Decke, durch die großen Fenster scheint die Sonne auf den Altar, daneben steht ein Klavier. Von den Kirchenbänken aus sieht man durch die Fenster einen klapprigen Holzbau, der gleich neben dem neuen Gotteshaus steht und daran erinnert, wie schwer es Gläubigen in der DDR gemacht wurde.

„Mauerblümchen“ nannten die Christen in Falkensee ihre Notkirche, 1951 was sie aus Barackenresten eines KZ-Außenlagers zusammengezimmert worden, zehn Jahre später kam die Mauer, wenige hundert Meter weiter begann die Sperrzone, besonders viel Offiziere der Stasi und der NVA ließen sich in der Nachbarschaft nieder. Zur Wende hatte die Gemeinde gerade 400 Mitglieder. Seither blüht das Gemeindeleben auf. Weil der Platz im „Mauerblümchen“ bald nicht mehr ausreichte, wurden Wohncontainer für Gemeindetreffen im Kirchengarten aufgestellt. Ein Kirchbauverein mit 100 Mitgliedern gründete sich und sammelte Spenden für den Neubau, den die Landeskirche lange nicht wollte, wo doch im Rest Brandenburgs Sparzwang galt. Der Verein sammelt nun fleißig weiter – für einen Glockenturm.

Das neue Gotteshaus ist bereits der zweite Neubau in Falkensee. 2001 weihte die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde ihre moderne Kirche ein, die katholische Gemeinde will noch in diesem Jahr mit dem Bau eines neuen Gemeindezentrums für ihre 2400 Mitglieder beginnen.

Pfarrer Fromke gibt sich trotz des Wachstums bescheiden, im Kirchenkreis Falkensee stieg die Mitgliederzahl seit 1998 um 7000 auf knapp 17000. „Das sind keine Missionserfolge, denen wir das zu verdanken haben“, sagt Fromke. Es sind vor allem zugezogene Familien aus Berlin und den alten Bundesländern. Lebten in Falkensee zur Wende noch 21 000 Menschen, zählt die Stadt inzwischen fast doppelt so viele. „Nach der Prognose werden wir in den nächsten 20 Jahren etwa 50000 Einwohner haben“, sagte Bürgermeister Heiko Müller (SPD).

In den Gemeinden gibt es jetzt Krabbelgruppen und Gottesdienste für die Kleinsten, Arbeitskreise für Frauen und Senioren, Chöre, selbst eine Suchtselbsthilfegruppe. „Es entsteht viel neues, wo kirchliche Gemeinschaft erlebt wird“, sagt Olaf Schmidt, Pfarrer in der Gemeinde Falkensee-Falkenhagen. Etwa in einem evangelischen Kindergarten, der 2007 für 90 Kinder eröffnet wurde, es ist der zweite in Falkensee und der Bedarf bei weitem nicht gedeckt. „Es gibt sogar Wartelisten für Kinder, die noch gar nicht geboren wurden“, berichtet Pfarrerin Gisela Dittmer. Ein evangelisches Gymnasium scheiterte an Widerständen in der Stadt, die einer staatlichen Schule den Vorzug gab. Dafür ist Religionsunterricht gefragt. „Wie können das kaum abdecken, es gibt zu wenig Religionslehrer“, berichtet Pfarrer Schmidt.

Überhaupt könnten sich die Gemeinden in Falkensee nicht mit dem Rest der Landeskirche vergleichen, sagt er. Nach offiziellen Angaben sinkt in Brandenburg die Zahl der Kirchenmitglieder jährlich um zwei Prozent, von den 2,2 Millionen Brandenburgern waren 262 000 in der Evangelischen Kirche.

Dagegen gedeiht andernorts im Speckgürtel kirchliches Leben. In Kleinmachnow (Potsdam-Mittelmark) etwa stieg die Zahl der evangelischen Gemeindemitglieder von 1400 zur Wende auf nun 5300. Auch dort soll nun ein neues Gemeindezentrum unter anderem für Gottesdienste entstehen – weil es in den Kirchen zu eng wird.