PNN 25.03.09

 

DIE PERSONEN

Grubert und Warnick bitten zur Wahl

Im Kampf um den Chefsessel im Kleinmachnower Rathaus treffen am kommenden Sonntag die Kandidaten von SPD und Linke in der Stichwahl aufeinander „Die Linke wäre niemals in die Stichwahl gekommen, wenn ich nicht angetreten wäre.“ „Ich denke, etwas mehr auch das jüngere Kleinmachnow wahrzunehmen.“ „Das Wort Aufgeben kommt in meinem Sprachschatz nicht vor.“ (25.03.09)

Viele Kleinmachnower verbanden mit der Bürgermeister-Wahl einen Neuanfang und sehen sich nach dem ersten Wahlgang enttäuscht: Mit den beiden verbliebenen Kandidaten, so der Tenor, ändere sich nichts. Stehen Sie für einen Neuanfang?

Warnick: Ich denke schon, dass ich für einen Neuanfang stehe. Ich bin in der Lage – das sehe ich auch im Wahlkampf – über alle Fraktionen hinweg Mehrheiten zu organisieren. Es geht ja nicht darum, nur ein Verwaltungschef zu sein und sich im Verwaltungsrecht auszukennen. Dafür hat man die Fachleute im Rathaus. Und die muss man anleiten und motivieren. Das könnte ich hervorragend, weil ich viele, die hier arbeiten, schon seit vielen Jahren kenne und sie mir auch vertrauen. Zum anderen habe ich einen guten Zugang zu allen Fraktionen dieses Gemeindeparlaments. Die fortwährende Spaltung innerhalb des Parlaments, wodurch sich eigentlich immer zwei Gruppierungen gegenüberstehen, könnte ich definitiv aufheben. Da bin ich mir ganz sicher.



Grubert: Ich stehe für einen geänderten Politikstil, das habe ich von Anfang an gezeigt. Ich möchte mit den Kleinmachnowern, mit den Initiativen, mit den Vereinen und natürlich auch in erster Linie mit den Gemeindevertretern den Ort entwickeln. Ich habe mich klar gegen neue Baugebiete positioniert und möchte stattdessen den Ort in seiner Qualität verbessern. Ich bin ein kommunikativer Typ und kann auf die Leute zugehen. Ich denke, dass das ein neuer Politikstil für einen Bürgermeister in Kleinmachnow ist.

Mehr als die Hälfte der Wähler hat Sie beim ersten Wahlgang nicht gewählt – durch die Einwohnerschaft geht offenbar ein Riss. Wie wollen Sie den kitten?

Grubert: Durch die Einwohnerschaft geht kein Riss, die Bürgermeisterwahl ist eine Persönlichkeitswahl, deshalb habe ich von Anfang an einen Wahlkampf gemacht, in dem ich auf die Leute zugegangen bin. Ich hoffe, dass ich mein Ergebnis auch deshalb bekommen habe, weil die Leute sehen, dass ich etwas anderes mache, unabhängig von einer Partei, sondern für alle Kleinmachnower. So werde ich das auch weiter tun – ich werde auf die Kleinmachnower zugehen, weiter Hausbesuche machen und mich mit Initiativen treffen.

Ist der Ort gespalten, Herr Warnick?

Warnick: Ja, teilweise schon. Das hängt einfach mit der unterschiedlichen Sozialisierung zusammen. Ich bin gleichfalls der Meinung, dass die Bürgermeisterwahl eine Persönlichkeitswahl ist. Die Linke hätte niemals dieses Stimmenergebnis erhalten und wäre niemals in die Stichwahl gekommen, wenn ich hier nicht angetreten wäre. Das hat eindeutig was mit der Persönlichkeit zu tun, nur deshalb hat es uns die Chance eröffnet.

Herr Grubert, Sie legen Wert auf die Klarstellung, dass sie nach dem ersten, erfolgreichen Wahlgang keine Siegespose gezeigt haben, sondern eine Jubelpose. Wenn man sich umhört, sagen viele, die Wahl ist entschieden. Warum sehen Sie sich nicht als Sieger?

Grubert: Ich habe fünf Prozent Stimmen Vorsprung …



Warnick: … viereinhalb Prozent.

Grubert: … gut viereinhalb Prozent, das sind 400 Stimmen. Die Wahl fängt am Sonntag bei Null an. Da zählt ein Vorsprung von 400 Stimmen nichts. Es ist sehr unangenehm, wenn mir Leute zu früh gratulieren und nachher meinen, nicht mehr zur Wahl gehen zu müssen. Man kann ein gutes Spiel vorher gemacht haben, das ist alles Schall und Rauch, wenn man nach dem zweiten Durchgang nicht die meisten Stimmen hat. Da muss ich bis zum Schluss sehr engagiert an die Kleinmachnower herantreten.



Warnick: Die Stimmung kippt manchmal in den letzten drei Tagen. Wahlforscher haben da ganz gute Aussagen. Wenn hier Leute durch die Gegend ziehen und das ein oder andere agitieren, kann sich das Bild schnell wandeln.



Grubert: Die Stimmung kann kippen, muss aber nicht.



Warnick: Es ist alles offen.



Grubert: Es ist alles offen, dafür ist der Vorsprung wirklich zu gering.



Warnick: Das hängt von der Wahlbeteiligung und in meinem Fall vor allem von den Protagonisten anderer Parteien ab. Wenn da suggeriert wird, man darf sich nicht mit Linken gemein machen …

Warum ist Kleinmachnow bereit für einen Linken-Bürgermeister?

Warnick: Weil Kleinmachnow eine höchst politische Kommune ist. Wir haben einen immens hohen Bildungsstandard, wir haben viele informierte Bürgerinnen und Bürger, das sieht man an der Wahlbeteiligung. 62 Prozent ist ein super Wert. Wir haben eine überproportional gut informierte und politisierte Bürgerschaft, nur das eröffnet mir überhaupt die Chance. Ich habe mindestens die Hälfte meiner Stimmen nicht aus dem Lager der alten Kleinmachnower bekommen, sondern von den Zugezogenen. Das finde ich unheimlich spannend: Wenn ich es hier schaffe, wäre das ein Zeichen für Deutschland, es wäre ein Zeichen für das Zusammenwachsen von Ost und West, für ein Umdenken und dass man alte Ressentiments überwindet. Ich weiß, dass es viele neuzugezogene Kleinmachnower gibt, die sagen: Ja ich kann mir das alles vorstellen. Und andere sagen: Der Warnick, um Himmels Willen, der ist ein Linker. Wenn man es schafft, diesen Unsinn in den Köpfen zu überwinden und sagt: Ihr wählt einen Bürgermeister, der sich ums Schwimmbad, um die Integration in den Fraktionen kümmern und eine super Arbeit machen soll - dann ist es völlig egal, welcher Partei er angehört. Im Gegensatz zu Herrn Grubert habe ich meine Parteizugehörigkeit nicht versteckt und stehe dazu.

Herr Grubert, die Wählerschaft der Linken gilt traditionell als treu und diszipliniert. Die werden am Sonntag wählen gehen. Aber was ist mit den Enttäuschten, die es fraglos gibt? Haben Sie Sorge, dass die Wahlbeteiligung nicht so hoch sein könnte?

Grubert: Das Ergebnis von 62 Prozent Wahlbeteiligung ist ein sehr gutes, das zeigt aber auch das Engagement aller sechs Kandidaten. Ich gehe davon aus, dass die Wahlbeteiligung am Sonntag ein bisschen geringer sein wird, weil einige sagen: ich kann mich weder mit dem einen, noch mit dem anderen Kandidaten identifizieren. Ich kann mir nur eine hohe Wahlbeteiligung wünschen, so dass sich der neue Bürgermeister auf ein repräsentatives Ergebnis in der Stichwahl verlassen kann. Das wichtigste ist, und das müssen sich die Kleinmachnower auch bewusst machen: Sie wählen einen Bürgermeister für acht Jahre und damit auch jeweils die unterschiedliche Linie, die Herr Warnick und ich vertreten. Ich bin Jurist, 49 Jahre alt und denke, etwas mehr auch das jüngere Kleinmachnow wahrzunehmen und wertzuschätzen. Ich hoffe, dass dies für die Kleinmachnower mitentscheidend ist.

Sind Ihnen Wahlempfehlungen aus anderen Lagern oder Parteien wichtig, oder wollen sie sich gar nicht so sehr binden und keine Abhängigkeiten eingehen?

Grubert: Wahlempfehlungen von Parteien sind immer etwas Nettes, aber ich werde nicht darum ersuchen. Ich werde auf die Kleinmachnower zugehen, denn deren Wahl entscheidet. Eine Wahlempfehlung ist für mich nicht so wichtig.

Herr Warnick, suchen Sie politische Verbündete?

Warnick: Natürlich muss man immer politische Verbündete suchen, aber ich halte von Wahlempfehlungen relativ wenig. Sie bringen nicht viel, manche würden sogar sagen, sie seien eher kontraproduktiv. Nochmal: Wir haben eine sehr kluge, sehr hochgebildete Wählerschaft, die lässt sich nicht so schnell beeinflussen.

Kleinmachnow wird ja oft der Vorwurf der Kungelei gemacht, vieles sei bereits abgesprochen und Diskussionen daher nur Phantomdebatten. Hätte eine Arbeit des Bürgermeisters mit wechselnden Mehrheiten da nicht den Charme des bereits zitierten Neuanfangs?

Warnick: Man braucht dazu nicht unbedingt wechselnde Mehrheiten. Ich finde, das sollte in der Kommunalpolitik weniger eine Rolle spielen. Ich bin bei Sachfragen ganz offen. Wir haben in allen Parteien Leute, mit denen kann man gut zusammenarbeiten und es gibt zwei oder drei, mit denen ist es schwierig. Ich habe natürlich einen Vorteil: Ich bin der einzige von den sechs Kandidaten gewesen, der 20 Jahre lang politisch gearbeitet hat. Vom ersten Tag an 1989, vom Neuen Forum bis heute, habe ich nichts weiter gemacht als Politik. Ich habe da schon eine Menge Erfahrung.

Ist das ein Vorteil?

Grubert: Ich glaube, dass Kleinmachnow etwas anderes braucht, als jemanden der die Politik der vergangenen Jahre fortsetzt. Ich möchte, dass die Beschlüsse der Gemeindevertretung im Wesentlichen von größeren Mehrheiten getragen werden. Eine Entscheidung pro Seeberg mit 14 zu 13 Stimmen ist eine Entscheidung, mit der 13 Leute unzufrieden sind. Das ist für die Ortsentwicklung nicht förderlich. Dieses will ich in Zukunft verändern. Ich sichere allen zu, dass ich die Vorbehalte gegen anstehende Beschlüsse vorher in einem größeren Konsens erarbeiten werde, um darauf einzugehen und um eine Entscheidung zu suchen. Man wird nie alle 28 Gemeindevertreter ins Boot holen können, das ist nicht drin. Ich denke, dass uns der Politikstil der letzten 20 Jahre soweit gebracht hat, dass wir in der Gemeindevertretung zeitweise eine sehr negative Stimmung haben. Das möchte ich ändern.



Warnick: Es geht hier nicht darum, dass ich eine Politik weiter mache. Ich hab nie Politik machen können in dem Sinne, weil ich nie einer herrschenden Partei angehört hab, wie der SPD oder der CDU, die hier die Meinung gebildet haben und die im Prinzip ihre politischen Ansätze umsetzen konnten. Das konnte ich gar nicht. Dazu war ich nie in der Lage, weder in der Gemeindevertretung, noch im Bundestag oder im Landtag. Diese Erfahrung ist jetzt ein Vorteil, denn wenn man etwas umsetzen wollte, dann konnte man das nur, wenn man sich auf andere Parteien gestützt, mit ihren Protagonisten geredet und seine eigene Meinung zu ihrer gemacht hat. Nur so konnte man ja was transportieren. Das war ein Lernprozess, den ich jetzt immens gut einsetzen kann: Auf alle zugehen, mit Fakten und Argumenten ganz hart arbeiten und überzeugen. Das habe ich gelernt und es ist natürlich schon ein Vorteil zu wissen, wie Parlamente und Ausschüsse funktionieren, wie Gemeindevertretungen funktionieren und wie die Parlamentarier auf den verschiedenen Ebenen so ticken.

Grubert: Jetzt stellen Sie ihr Licht unter den Scheffel. Sie waren Vorsitzender des Finanzausschusses, Sie haben lange mitgearbeitet und jetzt sagen Sie: Sie waren nie in einer entscheidenden Position?



Warnick: Entscheiden konnte ich nie, auch als Finanzausschussvorsitzender nicht, sonst hätte ich ja den Grundschulstandort auf dem Seeberg, wo jetzt fast alle sagen, das war ein Fehler, verhindert. Ich habe dagegen gekämpft, bin auch immer klar bei meiner Linie geblieben und habe mich oftmals nicht durchsetzen können.

Was machen Sie denn am kommenden Montag?

Grubert: Ja, das weiß ich leider noch nicht. Ich weiß, dass ich am kommenden Montag noch einen Tag Urlaub habe und dann werde ich mich hoffentlich den ganzen Tag freuen können. Jedenfalls gehe ich erst am Dienstag zur Gewog und Montag erhole ich mich noch einmal.



Warnick: Wenn ich es schaffen sollte, gehe ich durchs ganze Rathaus, werde mit allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen reden. Und wenn ich es nicht schaffe, bereite ich mich auf kommende Aufgaben vor, da gäbe es noch eine ganze Menge zu tun. Das Wort Aufgeben kommt in meinem Sprachschatz nicht vor. Das ist für mich völlig klar, ich werde weiterhin um Mehrheiten kämpfen. Ich bin mir ganz sicher, dass es nur eine Frage der Zeit ist. Ich habe einfach das Zeitproblem, dass ich viele, die hier erst zwei, drei Jahre leben, noch nicht erreichen konnte. Warten wir es ab.

Das Interview führten Peter Könnicke und Tobias Reichelt

Michael Grubert lebt seit 1996 in Kleinmachnow und führt seit 1991 die Geschäfte der Kleinmachnower Wohnungsgesellschaft (Gewog). Der 49-jährige verheiratete Vater von vier Kindern war in der Zeit nach der Wiedervereinigung für die Abwicklung der Restitutionsansprüche in Kleinmachnow zuständig. Für die Gemeindevertretung war er noch nicht tätig. SPD-Mitglied ist der Jurist seit 25 Jahren. In die Stichwahl gelangte er mit 25 Prozent der Stimmen.



Klaus-Jürgen Warnick wohnt seit 1952 in Kleinmachnow, ist Kreisvorsitzender der Linkspartei und Chef des Kleinmachnower Finanzausschusses. Mehrere Jahre war er Bundes- und Landtagsabgeordneter. Bei den jüngsten Kleinmachnower Gemeindevertreterwahlen war er der erfolgreichste Kandidat aller Parteien im Ort. Der DDR stand der heute 56-Jährige kritisch gegenüber. Erst im Jahr 2000 wurde er Parteimitglied. In die Stichwahl gelangte er mit 20 Prozent der Stimmen.tor