PNN 27.02.09

 

Neue Stasi-Vorwürfe gegen Klaus Nitzsche

Chef der Gemeindevertreter soll als IM auch Kleinmachnower bespitzelt haben – er weist das zurück (27.02.09)

Kleinmachnow - Gegen den Vorsitzenden der Kleinmachnower Gemeindevertretersitzung, Klaus Nitzsche (SPD), sind neue Stasi-Vorwürfe erhoben worden. Nach Informationen der Berliner Morgenpost soll er unter dem Decknamen „Gerd“ rund zehn Jahre lang Inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) gewesen sein.

Demnach habe Nitzsche der Stasi unter anderem dabei geholfen, einem vermeintlichen Fluchthelfer auf die Spur zu kommen. Die Zeitung beruft sich auf Nitzsches 423-Seiten umfassende Stasi-Akte. Demzufolge habe er sich am 12. Juli 1978 bei einem längeren Aufenthalt als Wissenschaftler im damaligen Leningrad eigenhändig dazu verpflichtet das MfS „in seiner Tätigkeit bei der Aufklärung imperialistischer Geheimdienste aktiv zu unterstützen“. Darüber hinaus soll er aber auch nach seiner Rückkehr in die DDR Freunde und Bekannte ausspioniert haben, unter anderem im Kleinmachnower „Joliot-Curie-Club“, in dem Künstler, Intellektuelle und Wissenschaftler verkehrten. „IM Gerd“ habe unter anderem über Streit in der Klubleitung berichtet und darüber, dass viele Mitglieder Dienst- und Privatreisen ins nichtsolzialistische Ausland machen würden. Das MfS habe dabei seine Bereitschaft gelobt, „bei der Einführung von zuverlässigen Personen im Klub zu helfen“.

Nitzsche war zwischen 1990 und Ende 1993 hauptamtlicher Kleinmachnower Bürgermeister. Bereits im Dezember 1993 hatte er gegenüber den PNN eingeräumt, dass er sich 1978 bei einem Treffen mit einem DDR-Diplomaten in Leningrad schriftlich zur Mitarbeit bei der „Bekämpfung imperialistischer Geheimdienste“ verpflichtet habe. Danach habe es regelmäßige Kontakte mit Mitarbeitern des Konsulats, von denen er annehmen musste, dass sie für die Stasi arbeiteten, gegeben. Er sei aber kein IM gewesen. Nach Einsicht in seine Gauck-Akte entschied er sich jedoch damals, von seiner erneuten Kandidatur als Bürgermeister im Dezember 1993 zurückzutreten. Begründung: Er könnte in Erklärungszwänge kommen, was er sich ersparen wolle. Als sein Nachfolger im Kleinmachnower Bürgermeisteramt wurde der heutige mittelmärkische Landrat Wolfgang Blasig, damals Bündnisgrüner, heute SPD, gewählt.

Gegenüber den PNN blieb Nitzsche gestern in großen Teilen bei seiner Version aus dem Jahr 1993. Er habe zwar 1978 einen Decknamen erhalten, die Erklärung aber nicht als IM-Verpflichtung verstanden. Nitzsche räumte auch ein, dass er sich nach seiner Rückkehr in die DDR mit dem aus Leningrad bekannten Diplomaten getroffen habe. An den Inhalt der Gespräche könne er sich nach 20 Jahren nicht mehr genau erinnern, er sei sich jedoch sicher, dass er niemanden geschadet habe. „Ich habe nichts geschrieben oder unterschrieben, was mir heute zugerechnet werden kann“, so Nitzsche. Was die Stasi aufgeschrieben habe, sei „nicht sein Thema“. Er selbst sei von der Stasi jahrelang abgehört und überwacht worden. Das gehe aus den Akten hervor. Zudem beruft sich Nitzsche darauf, dass er als Gemeindevertreter und Kreistagsabgeordneter sowohl 2002 als auch 2007 überprüft worden sei. Auch dabei sei festgestellt worden, dass durch seine Tätigkeit anderen Personen kein Schaden entstanden ist. Die Aktenlage habe sich seines Wissens nach nicht verändert. „Alles ist seit 1993 bekannt gewesen“, so Nitzsche gestern.

Tatsächlich heißt es im Bericht des Ältestenrates der Gemeindevertretung vom 10. Juni 2002: „Die Mitglieder der Kommission sind sich darin einig, dass aus der uns bekannten Aktenlage nicht hervorgeht, dass durch die Tätigkeit dieses Gemeindevertreters für den Staatssicherheitsdienst anderen Personen konkret Schaden entstanden ist.“ Mitglied beider Kommissionen war der damalige CDU-Gemeindevertreter und Kreistagsabgeordnete Wolfgang Jordan (heute FDP). „Wir kamen zum Ergebnis, dass es sich bei der Tätigkeit von Herrn Nitzsche um eine eher atypische Arbeit für das MfS handelte“, sagte er auf PNN-Anfrage. Statt Freunde oder Verwandte auszuspionieren, habe seine Arbeit eher im Geheimdienstbereich gelegen. Akten, die etwas anderes sagen, hätten damals nicht vorgelegen. „Ich gehöre sicher nicht zu seinen Freunden, aber mit den aktuellen Vorwürfen bin ich nicht einverstanden“, so Jordan, der sich als Kandidat der FDP am 15. März um den Bürgermeisterposten in Kleinmachnow bewirbt.

Ebenfalls überrascht von den Vorwürfen zeigte sich die Fraktionsvorsitzende der SPD in der Gemeindevertretung, Susanne Krause-Hinrichs. „Eine Entlastung hatte es doch bereits gegeben, mich wundert, dass sich die Lage jetzt geändert haben soll“, so die Fraktionschefin. Sie wolle nun im Kleinmachnower Kommunalparlament die Bildung einer neuen unabhängigen Kommission anregen, die nicht mit Abgeordneten besetzt wird, sondern mit von den Fraktionen nominierten Personen. Diese Kommission müsse die Vorwürfe gegen Klaus Nitzsche gezielt aufarbeiten. „Wir können nur hoffen, dass es im Vorfeld der Bürgermeisterwahl nicht zu Schlammschlachten kommen wird“, so Krause-Hinrichs.

Aus der Kleinmachnower CDU-Fraktion kommen indes die ersten Rücktrittsforderungen. „Wir sind maßlos enttäuscht und hoffen, dass er die nötigen Konsequenzen zieht“, sagte Fraktionschef Bernd Krüger auf Anfrage. Die Vorwürfe gegen Klaus Nitzsche hätten eine völlig neue Qualität erreicht, „und das kann man heutzutage keiner Gemeindevertretung mehr zumuten“. Allerdings wolle die Union vorerst „den Ball flach halten“ und die aktuellen Bürgermeisterwahlen nicht von dem Thema überschatten lassen. „Sollte sich allerdings nichts tun an der Spitze der Gemeindevertretung, müssen wir uns über das weitere Vorgehen abstimmen“, so Krüger, der am 15. März ebenfalls als Bürgermeisterkandidat antritt.

Thomas längs / Hagen Ludwig