PNN 02.12.08

 

Plädoyer für Kleinmachnower Bahnanschluss

Die Ausstellung "170 Jahre Potsdamer Stammbahn" soll neuen Schwung in die Diskussion bringen

Von Kirsten Graulich

Kleinmachnow – Die Stammbahn ist tot – es lebe die Stammbahn! Dieser trotzige Slogan ist auf einem der Aufsteller zur Ausstellung „170 Jahre Potsdamer Stammbahn“ zu lesen, die derzeit im Kleinmachnower Rathaus gezeigt wird. Als erste preußische Bahnlinie ging die Stammbahn 1838 in Betrieb. Zudem war diese Verbindung von Berlin nach Potsdam die zweite deutsche Bahnstrecke, nachdem drei Jahre zuvor erstmals eine Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth rollte. Heute bedecken Grasbüschel und Sträucher die Gleise am einstigen Bahnhof Düppel-Kleinmachnow. Der Heimatverein und die Bürgerinitiative Stammbahn (BIS), die gemeinsam die Ausstellung organisiert haben, wollen nicht nur das Auf und Ab der Stammbahn Revue passieren lassen, sondern auch neuen Schwung in die Diskussion um eine umweltfreundliche Schienenanbindung Kleinmachnows an Berlin bringen.

„Aus der Geschichte lernen, heißt auch sich selber Mut zu machen“, sagt BIS-Vizechef Udo Dittfurth und erinnert daran, dass es bereits Anfang des 19.Jahrhunderts mehrerer Anläufe bedurfte, um das Projekt auf die Schiene zu bringen. Seinerzeit sei fünf Jahre lang über eine Eisenbahnstrecke von Berlin nach Magdeburg diskutiert worden. Gebaut wurde dann innerhalb von nur 14 Monaten eine abgespeckte Strecke von Berlin nach Potsdam. Erst 1846 erfolgte eine Verlängerung bis Magdeburg. Ein Jahr nach dem 100. Jubiläum der Stammbahn erhielt die Gemeinde Kleinmachnow endlich ihre eigene Bahnstation, die am Bahnübergang zur Benschallee auf Berliner Gebiet lag. Weitere Stationen, unter anderem in Dreilinden, waren bereits geplant.

Auch an einem S-Bahn- Ringschluss über Stahnsdorf und Teltow wurde 1939 bereits gebaut, wie Bilder in der Ausstellung belegen. Doch mit Beginn des Zweiten Weltkrieges war es mit den hochtrabenden Plänen vorbei. Gleisanlagen wurden im Krieg zerstört und nach 1945 die Schienen zwischen Düppel-Kleinmachnow und Griebnitzsee demontiert. Nur ein Gleis zwischen Zehlendorf und Kleinmachnow blieb erhalten, und ab Dezember 1945 war der Ort mit der Bahn wieder erreichbar. Die mitunter bizarren Folgen der deutschen Teilung bekamen auch die Fahrgäste der Stammbahn zu spüren. So durften Westberliner ab 1952 die DDR nicht mehr betreten, und in der Ausstellung ist ein Schild zu sehen, auf dem davor gewarnt wurde, weiterzufahren, da sonst Freiheitsentzug drohe. Für die Kleinmachnower Reisenden wurde wiederum der Fahrkartenkauf zum Problem, denn der befand sich auf Westberliner Gebiet und die Deutsche Reichsbahn verlangte Westgeld. Das aber durften DDR-Bürger nicht haben. Also ließ die Gemeinde am Düppelteich ein eigenes Fahrkartenhäuschen errichten. Eine einfache Fahrt der Preisstufe 1 kostete damals noch 20 Pfennig. Kontrolleure stellten jedoch fest, dass mit diesen Fahrkarten überwiegend Westberliner fuhren, denn die bezahlten umgerechnet nur 5 Pfennige für ein Billet. Mit dem Mauerbau wurden die meisten Fahrgäste ausgesperrt und aus der Trasse eine bewachte „Staatsgrenze“. Als sich 1988 der 150.Geburtstag der Stammbahn jährte, konnten die Kleinmachnower nur die Pfiffe einer historischen Dampfbahn hören, die auf Westberliner Seite auf einem freigeschnittenen Gleisabschnitt hin- und herfuhr.

Um so größer waren ein Jahr später die Erwartungen an eine Wiederinbetriebnahme der Stammbahn. Zwar lehnen einige Einwohner die Bahn ab, weil sie Lärm fürchten, aber die einstige Verbindung wurde wieder Bestandteil von Plänen. Nahe dem Berliner U-Bahnhof Gleisdreieck wurde bereits eine Einführung in den Nord-Süd-Fernbahntunnel mitgebaut. Doch mit den Jahren geriet die Stammbahn immer mehr aus dem Blickfeld der Planer und wurde in der Reihenfolge nach hinten gestuft. Zwar bleibt deren Nutzen für die Region unbestritten, aber hinter der Wirtschaftlichkeit stehen nunmehr große Fragezeichen. Seither sehen die Befürworter eine verlängerte S-Bahn von Zehlendorf über den Europarc nach Stahnsdorf als Alternative zur alten Stammbahn. Es sei geradezu lächerlich, befindet Heimatvereinsmitglied Harald Kretzschmar, Kleinmachnow immer noch vom Schienennetz abzugrenzen, im Gegensatz zu anderen Orten am Rande der Metropole. „Wir sollten aber S-Bahn größer schreiben als Stammbahn“, empfahl Kretzschmar.