PNN 23.10.08
Über 70 Wildschweine wurden in Kleinmachnow zur Strecke gebracht, doch das Problem ist nicht gelöst
Kleinmachnow – In
Kleinmachnow scheinen sich Wildschweine besonders wohl zu fühlen. Über hundert
hätten sich in warmen Augustnächten im Ort aufgehalten, berichtete
Bürgermeister Wolfgang Blasig (SPD) beim gestrigen Pressegespräch. Oftmals
begegne man den Schwarzkitteln auch am Tage. So ließ sich eine Rotte von etwa
25 Tieren auch nicht durch hupende Polizeiautos von der Fahrbahn vertreiben.
Als dann Jagdpächter Hans Diwiczek von der Jagdgenossenschaft
Stahnsdorf/Kleinmachnow herbeigerufen wurde, wandte er einen Trick an. Da er in
der Situation die Waffe nicht benutzen konnte, ließ er Silvesterknaller
krachen, um die Tiere zu verscheuchen.
Generell jedoch hat sich Diwiczek auf die Fahnen geschrieben, den Bestand durch
Abschuss zu reduzieren. Den Ort ist in vier Jagdbezirke mit jeweils zwei Jägern
eingeteilt. „Wir haben keine Ruhe, wir jagen durch“, gibt sich der passionierte
Jäger kämpferisch. Über 70 Tiere wurden in diesem Sommer zur Strecke gebracht.
Das stolze Ergebnis täusche aber nicht darüber hinweg, dass die Wildschweinjagd
im Ort ein Reizthema sei, ist sich Diwiczek bewusst, „vor allem wenn wir
Frischlinge eliminieren". Neben Beschimpfungen käme es auch vor, dass der
Jäger, der mit der Waffe durch den Ort geht, von seinem Nachbarn bei der
Polizei angezeigt wird, erzählt Diwiczek.
Ähnlich gehe es den Berliner
Stadtjägern, berichtete Forstamtsleiter Elmar Kilz. Die Tierliebe mancher
Berliner gehe soweit, dass sie die Schweine füttern und ihnen auch noch Namen
geben würden. Sogar ein Warnschild hätten einige aufgestellt, versehen mit dem
Hinweis „Achtung Wildschweinwechsel – Susi“. „Sowas gehört doch bestraft“,
meinte Kilz. Und wenn Mieter die Bache mit ihren Frischlingen füttern würden,
sei das ein Kündigungsgrund für den Vermieter. Denn wenn zu große Vertrautheit
entsteht, brauche sich niemand wundern, dass die Tiere immer wieder zu dieser
Futterstelle kommen und ihre natürliche Scheu verlieren. Solche falsch
verstandene Tierliebe müsse mit Bußgeld bis 1000 Euro bestraft werden, rät der
Berliner Kollege den Kleinmachnowern.
Doch es gibt gleich mehrere Gründe, warum sich die Schwarzkittel in
Kleinmachnow sauwohl fühlen: Schuld sind nicht allein die 150 000
Krokuszwiebeln, die einst auf den Grünflächen verteilt wurden und nun
verschwunden sind, weil sie für Schweine eine Delikatesse sind. Auch mancher
Komposthaufen hat dazu beigetragen, dass Kleinmachnow zum Schlemmerland für
Wildschweine wurde. Ebenso verlocke Hunde- und Katzenfutter auf der Terrasse
die Tiere dazu, Löcher im Zaun zu suchen und sogar Tore aufzustoßen. Deshalb
soll das Ordnungsamt künftig genauer hinsehen, wenn Bürger sich über allzuviel
Besuch der Schwarzkittel beschweren. Denn das Problem sei hausgemacht. Das
sieht auch Vizelandrat Christian Stein so. „Wer in ländlich geprägten Kommunen
mit Waldcharakter lebt, muss auch mit den Wildtieren leben.“ Offen liegende
Grundstücke würden zum großen Nahrungsangebot beitragen. Daher seien in erster
Linie die Bürger selber in der Pflicht. Stein: „Trotz der erfolgreichen
Abschussquoten, kann das nur eine Notlösung sein und nichts auf Dauer.“
Bürgermeister Blasig will demnächst mit den Gemeindevertretern darüber beraten,
ob im Ort eine Stelle für einen Wildhüter geschaffen werden kann, um das Thema
fachlich besser bewältigen zu können. Kirsten Graulich