PNN 17.10.08
In Kleinmachnow eröffnete die erste gemeinnützige Fahrradwerkstatt im Kreis für Langzeitarbeitslose
Kleinmachnow - „Es
ist eine willkommene Abwechslung und man sieht hinterher, was man gemacht hat“,
sagt René Dreusicke und greift zum Schraubenschlüssel. Die Hände des
31-Jährigen sind schwarz und ölig, der Raum um ihn herum aber sauber und
ordentlich. Schon seit dem frühen Morgen schraubt er in der ersten
gemeinnützigen Fahrradwerkstatt Potsdam-Mittelmarks an einem verrosteten Fahrrad.
Früher war das Rad strahlend Grün und chromverziert. „Ich muss sehen, was wir
davon noch gebrauchen können“, erklärt René Dreusicke und löst eine rostige
Schraube vom zerlöcherten Schutzblech. Offiziell ist es sein erster Arbeitstag
hier in Kleinmachnow, am Rande des Bannwaldes. Dreusicke und neun andere
Langzeitarbeitslose haben am Standort des insolventen Arbeitsförderbetriebes
„Neue Arbeit“ in der Fahrradwerkstatt eine Beschäftigung gefunden – initiiert
von einem neuen gemeinnützigen Träger. Die Berliner Union Sozialer
Einrichtungen (USE) wird sich das rund 3,6 Hektar große Gelände mit dem
Teltower Arbeitslosenverein teilen.
„Wie die Jungfrau zum Kinde“, erklärte USE-Geschäftsführer Wolfgang Grasnick,
sei seine Gesellschaft zum Projekt gekommen. Im Juni stand die „Neue Arbeit“
vor dem Aus und mit ihr 50 Angestellte. „Diese Arbeitsplätze haben wir
erhalten“, verkündete Grasnick zur gestrigen Einweihung. Fahrradwerkstatt,
Schulungszentrum und Recyclingstelle für alte Computer gibt es schon. Entstehen
sollen noch eine Möbeltischlerei, eine Metallwerkstatt und ein
Begegnungszentrum mit Kaffee-, Kuchen- und Kulturangebot – jede Menge Arbeit
für die, die keine haben.
Seit rund acht Jahren ist René Dreusicke
schon arbeitslos. Statt Möbel herzustellen, wie es der 31-Jährige einmal
gelernt hat, schraubt er hier an Fahrrädern. „Spaß macht das trotzdem“, sagt
er, „wir arbeiten eben.“ Seit einigen Wochen waren er und seine Kollegen damit
beschäftigt, die Werkstatt einzurichten. Einen Euro bekommen sie pro Stunde.
„Reicht für eine Schachtel Zigaretten am Tag“, sagt Dreusicke. Ob er zurück in
seinen alten Beruf kann, weiß er nicht. „Das wird schwer.“ Zu viel habe sich
geändert und neue Technik die Tischlereien erobert, die er nie ausprobieren
konnte.
„Die Gründe für Arbeitslosigkeit können vielfältig sein“, erklärt Bernd Schade,
Chef der Maia im Landkreis. Von fehlender Qualifikation bis zur Motivation bis
zu gesundheitlichen oder persönlichen Gründen reiche die Spannbreite. Deshalb
sei er froh, mit der USE einen kompetenten Partner auch im Bereich der
psychologischen Betreuung gefunden zu haben. Mit speziell geschultem Personal
sollen über die Bewerbungstrainings hinaus in Kleinmachnow auch
Ernährungsberatungen und Sport angeboten werden.
Laufen alle Projekte, werden hier 30 Langzeitarbeitslose für je ein halbes Jahr
beschäftigt sein. Danach ruft der Arbeitsmarkt, so die Perspektive. Auch
ausbilden könne die USE vor Ort. „Wir wollen mit unseren Werkstätten keine
Konkurrenz zu anderen Unternehmen sein“, sagt USE-Chef Grasnick. Wer will, kann
sein altes Rad spenden, Bedürftige können ein neues bekommen oder ihr eigenes
reparieren. Geplant seien auch gemeinsame Projekte mit Schulen. Auch die sollen
einige der Räder erhalten, die René Dreusicke und seine Kollegen reparieren.
„Besser als Zuhause rumsitzen“, sagt Dreusicke, „ist das allemal“. Tobias
Reichelt