PNN 15.10.08
Englische Schüler besuchen
das Kleinmachnower Weinberg-Gymnasium
Kleinmachnow - Angst
vor strengen Lehrern mit langen Schnurrbärten, Respekt vor der deutschen
Polizei und ein wenig auch vor dem deutschen Essen – „Wurst, Wurst und nochmal Wurst“, erklärt Richard Whiles,
hätten seine Schüler auf den Tellern ihrer deutschen Gastfamilien erwartet.
Jetzt, nach einigen Tagen in Kleinmachnow mit ihren deutschen Austauschschülern
vom Weinberg-Gymnasium hätte sich das Bild der jungen Engländer geändert,
erklärt Lehrer Whiles.
Schon seit September läuft das auf zwei Jahre angelegte EU-Projekt des
Kleinmachnower Gymnasiums mit dem englischen „Kirk Hallam
Community College“ bei Nottingham. Seit Anfang
Oktober sind die englischen Schüler hier. Für zehn Tage kamen sie nach
Kleinmachnow. Im Frühjahr sollen die Weinberg-Schüler nach England. Vorurteile
aufspüren und schnellstmöglich abbauen – dafür stellte die Europäische Union
den beiden Schulen 38 000 Euro zur Verfügung, bezahlt aus dem sieben Milliarden
schweren Fördertopf des europäischen Comenius-Programms.
Über Internet, erklärt Antje Rücker,
hätten sich die Schulen gefunden. Rücker begleitet das Projekt am Weinberg.
„Viel zu viele Schüler haben sich dafür beworben“, sagt die Lehrerin. Nur Zwölf
durften mitmachen. Gleiches gilt für die englischen Mädchen und Jungs, erklärt
Rückers englischer Kollege Richard Whiles. Er war es,
der die Annonce seines Colleges auf eine
Internetseite des British Councils stellte, einer
englischen Bildungsorganisation. Wie bei einer Partnerbörse hätten sich die
Schulen samt Lehrer und Schüler per E-Mail kennengelernt.
Nach ein paar Tagen direkten Kontakts erwies sich die Sprachbarriere für die
Acht- und Neuntklässler als schwierig: „Sie sind sehr schüchtern“, erzählt die
13-jährige Valentina über ihre englischen Freunde. Anstrengend sei die Zeit,
stimmen ihre Mitschüler bei. „Anstrengender als Schule“, sagen sie. Aber ihr
Englisch werde besser, das ihrer Eltern auch. Und im Gegenzug lernten ihre
Austauschfreunde Deutsch. „Im Laufe der Woche wurde der englische Spoon am Esstisch zum deutschen Löffel“, erklärt Julia.
Noch bis heute Abend sind die Engländer bei ihren Gastfamilien. Gesehen haben
sie viel: Das Brandenburger Tor, den Fernsehturm, das Abba-Musical und
natürlich die deutsche Schule. „Sie finden es toll, keine Uniformen tragen zu
müssen“, sagt Richard Whiles. „Unsere Schüler waren
überrascht, dass die Deutschen so viel englische Musik hören, die gleichen
Filme sehen und Computerspiele haben“, erklärt der Lehrer.
„Sophie will gar nicht mehr weg“, ruft auch Ocean ihrer englischen Mitschülerin
hinterher. Die hat sich gerade eine Tasche über die Schulter geworfen – ein
Souvenir, bedruckt mit einem Berlin-Muster. Am Ende des zweijährigen Projekts
soll ein zweisprachiger Film entstehen. Über Schule, Hobbies
aber auch Probleme und Sorgen der Jugendlichen in ihren Heimatorten. Die ersten
Schnitte sind im Kasten. Der Titel steht schon fest: „Take Two“
– was soviel bedeuten soll wie auf den zweiten Blick. Tobias Reichelt