PNN 08.10.08
Aber Katerstimmung in Anbetracht geplanter Entlassungen
in Kleinmachnow
Von Thomas Lähns
Kleinmachnow -
Geisterstimmung in Dreilinden: Am frühen Dienstagmorgen ist kaum jemand
anzutreffen am Firmensitz des Internet-Auktionshauses Ebay. „Die in der
Verwaltung fangen erst um neun Uhr an“, sagt einer von drei Frühschichtlern,
die vor dem Gebäude rauchen. Wie bei denen denn die Stimmung ist, nachdem
gestern bekannt wurde, dass auch in Kleinmachnow die Verwaltung um 100 Leute
gestutzt wird? „Wahrscheinlich geknickt,“ sagt er.
Ungefähr jeder Zwölfte der insgesamt 1250 Ebay-Mitarbeiter im Europapark
Dreilinden ist von den Kürzungen betroffen – Festangestellte und befristete
Mitarbeiter. Dennoch halte der Konzern klar an der Kleinmachnower Niederlassung
fest: „Dreilinden ist ein zentraler und wichtiger Standort, den es auch in
Zukunft geben wird“, sagt ein Pressesprecher. Namentlich genannt werden will er
nicht. Stattdessen Überzeugungsarbeit: Am Kundenservice werde nicht gespart,
„wir werden nach wie vor Käufer und Verkäufer bestmöglich unterstützen“. Und
wie hat der Betriebsrat auf die Konzernpläne reagiert? „Einen Betriebsrat haben
wir in Deutschland nicht“, sagt der Sprecher – den gebe es nur auf
internationaler Ebene.
Der internationale Betriebsrat hatte
sich vor vier Jahren noch an die Seite des Unternehmens gestellt, als es darum
ging, gegen die Gewerkschaft die Firmenehre zu verteidigen. Auf der
Internetseite epay.tv waren seinerzeit Ebay-Mitarbeiter aufgerufen worden, sich
an einer Umfrage zu beteiligen. Zugleich ergingen Appelle, sich über schlechte
Arbeitsbedingungen in Dreilinden zu beschweren. Anders als auf der Seite
dargestellt, wurde die epay.tv jedoch nicht von frustrierten Ebay-Mitarbeitern
ins Netz gestellt, sondern vom Projekt „Connex“. Es wurde damals von der
Dienstleistungsgewerkschaft Verdi initiiert, um den Einfluss in den neuen
Wirtschaftsbranchen zu stärken. Erst später räumte Verdi seine Beteiligung ein,
man habe lediglich die Arbeitsbedingungen verbessern wollen. Die Internetseite
epay.tv musste wieder geschlossen werden, Verdi musste alle Vorwürfe
zurücknehmen. Für Stellungnahmen dazu oder zu den aktuellen Entlassungen bei
Ebay stand bei Verdi gestern niemand zur Verfügung.
Bei Ebay wird trotz anstehender Kündigungswelle Optimismus verbreitet, die
schlechte Nachricht vom Montag wird in einer Pressemitteilung gut verpackt:
„Für mehr Wachstum und Effizienz“, heißt es in der Überschrift. Und weiter:
„Ebay kauft führende Bezahl- und Kleinanzeigenportale und verschlankt innere
Strukturen.“ Ebay kauft konkret den amerikanischen Bezahlservice „Bill me
later“ für 820 Millionen Dollar und zwei dänische Kleinanzeigenportale für 390
Millionen. Für das Humankapital reicht derweil das Geld nicht mehr. Die Rede
ist von „internen Umstrukturierungen“.
2001 hatte der Konzern die Kleinmachnower Niederlassung bezogen. Der
Mitarbeiterstamm ist jung, das Durchschnittsalter liegt bei zirka 31 Jahren,
heißt es aus dem Unternehmen. Dass einige der Mitarbeiter nach ihrer Entlassung
ins Ausland wechseln – diese Möglichkeit werde laut Konzernmitteilung
eingeräumt – ist nicht unwahrscheinlich.
Vielleicht wollen sie sich diese Option offenhalten – und vermeiden deshalb
alle Aussagen über das Betriebsklima. Diese Vermutung drängt sich zumindest am
Dienstagmorgen gegen 9 Uhr vor der Firmenzentrale auf, als die Belegschaft nach
und nach eintrifft. Viele der Leute, die aus den Linienbussen steigen, halten
den Kopf gesenkt. Jeder läuft für sich in Richtung Büro, Gespräche untereinander
gibt es kaum. Fragen nach Entlassungsängsten oder der Stimmung perlen ab. Das
Ebay-Team schweigt.