PNN 13.09.08
"Vorreiter statt Weicheier" Hermann Scheer zum
Klimaschutz in der Region
Von Tobias Reichelt
Kleinmachnow - „Jeder
Schritt zu erneuerbaren Energien ist ein Vorteil, da braucht man nicht drum
feilschen, man macht es!“, rief Hermann Scheer in den Kleinmachnower Saal.
Immer wieder donnerte der SPD-Bundestagsabgeordnete und Träger des Alternativen
Nobelpreises sein bereits von ihm mehrfach gefaltetes Namensschild auf den
Tisch, um es wenig später wieder aufzunehmen und eine weitere darauf notierte
Publikumsfrage mit gleichem Elan zu beantworten.
Unter der Fragestellung „Wie lange können wir uns Energie noch leisten?“ hatten
die Kleinmachnower SPD-Ortschefin Susanne Krause-Hinrichs und die
Bundestagsabgeordnete Andrea Wicklein ihren Parteikollegen Hermann Scheer am
Mittwochabend in den Kleinmachnower Sportpark geladen. Es ging um die Welt im
Großen – den Klimaschutz – und die Handlungsmöglichkeiten der Kommunen im
Kleinen. Es ging um subventioniertes Benzin in Ägypten, um fehlende
Energieberater in Teltow und Stahnsdorf, um Ölmultis, um den Kreuzpunkt, an dem
die endlichen Energien Öl, Gas, Kohle und Uran durch Alternativen ersetzt
werden müssen. Es ging um zwei bis drei Jahrzehnte, um Atom- und
Energiesteuern, um verschattete Solarzellen in Kleinmachnow, um Solarsatzungen,
Geothermie, um Großkraftwerke und „gefährliche Experimente“ mit der neuen
Kohlendioxid-Ausscheidungstechnik für Braunkohle in Brandenburg.
Nach zwei Stunden hatte der renommierte Klimapolitiker in Kleinmachnow durch
die breite Themenlandschaft des Klimaschutzes geführt und eines klar gemacht:
Statt global zu reden und national aufzuschieben müsse kommunal gehandelt
werden.
Bei seiner Anreise durch die Region
habe er sich gefühlt, sagte Scheer, wie ein Seefahrer auf dem Meer, dem das
Trinkwasser ausgegangen sei: „Überall Wasser aber kein Tropfen zu trinken.“
Hier in Kleinmachnow sehe er Dächer über Dächer, aber kaum eine Solarzelle.
Dabei sei der Wandel von einem globalen, zentralisierten Energiesystem mit
Großkraftwerken zu einem dezentralen, regionalen System die wichtigste Aufgabe
– also die Energieversorgung auf dem eigenen Hausdach. „Wir dürfen auf keinen
Fall warten, sondern müssen unsere Handlungsspielräume nutzen“, redete Scheer
ins Gewissen. Dazu, so sagte er, zählten eine Solarsatzung, die jeden
Häuslebauer zwinge, Solarenergie beim Neubau zu berücksichtigen, der Bau
eigener Stadtwerke und der Rückkauf der Stromnetze.
Eine kurze Pause machte Scheer bei der Publikumsfrage, wie man Gemeindegrün
erhalte, Solarzellen dabei aber nicht verschatte, während Solar-Kraftwerke auf
der freien Wiese im benachbarten Teltow bereits scheiterten.
„Standortverweigungspolitik“, erklärte Scheer, sei die einzige Möglichkeit
erneuerbare Energien zu verhindern. Natürlich bedeute dies nicht, das man überall
Windkrafträder oder Solarzellen bauen dürfe, aber verhindere man solche
Projekte allein aus ästhetischen Gründen, sei dies Willkür. „Man muss diese
Anlagen nicht schön finden, es reicht aus, wenn man sie für notwendig hält.“
Landschaftsplanerisch müsse damit umgegangen und ihnen Vorrang gegeben werden.
„Um die Gesellschaft zu revolutionieren braucht es Vorreiter, keine Weicheier“,
erklärte Scheer abschließend, deshalb müsse man „klare Kante zeigen und nicht
die Verantwortung auf andere schieben!“