PNN 28.08.08
In Caputh 48 Kinder auf der Warteliste, im ganzen Umland
wird es eng / Grund ist das Elternzeitgesetz
Von Henry Klix und Tobias Reichelt
Potsdam-Mittelmark -
So etwas hat Anne Goldberg in ihren acht Jahren als Caputher Kita-Leiterin noch
nicht erlebt. Seit Februar flattern jede Woche zwei bis drei Anträge auf einen
Kindergartenplatz ins Haus. „Wir haben inzwischen schon den Personalraum und
die Bastelkammer ausgeräumt, damit wir eine weitere Gruppe aufmachen können.“
Die Kapazität wurde von 188 auf 200 Plätze erweitert. Und doch konnte Goldberg
48 Eltern für dieses und nächstes Jahr wenig Hoffnung machen. Die Kinder seien
auch in den Schwielowseeer Ortsteilen Ferch und Geltow nicht unterzubringen,
auch nicht bei Tagesmüttern, sagt Goldberg.
Caputh ist kein Einzelfall. Auch in anderen Kommunen im Potsdamer Umland
platzen Kindergärten aus allen Nähten. In Michendorf und Wilhelmshorst sollen
die Räumlichkeiten durch Neu- und Anbauten erweitert werden, bis 2011 wird sich
die Anzahl der Kinder in den Betreuungseinrichtungen laut Rathausprognosen um
12 Prozent auf 1051 Knirpse erhöhen. Auch in Werder (Havel) ist die
Geburtenziffer im vorigen Jahr um 16 Prozent angestiegen, sagt Bürgermeister
Werner Große (CDU). „Wir hatten in der Vergangenheit darauf verzichtet, Kitas
zu schließen oder zusammenzulegen. Deshalb reichen die Kapazitäten bislang noch
aus.“
Von einem „noch“ spricht auch Doris
Nowak in Kleinmachnow. „Noch mussten wir keinen hängen lassen“, erklärt die
stellvertretende Leiterin des Kita-Verbunds, „aber es ist knapp“. Die Reserven,
mit denen in Kleinmachnow „wie Goldstaub“ gehandelt werde, gehen aus. Für fast
alle Kitas im Ort gebe es Ausnahmegenehmigungen, um pro Einrichtung zwei bis
drei Kinder mehr aufnehmen zu können. Für rund 100 Kleinmachnower Kinder geht
es erst gar nicht in die Kita, sie werden von Tagesmüttern betreut. Besserung
ist frühestens im kommenden Jahr in Sicht, dann sollen die Bauarbeiten an der
Kita „Freundschaft“ abgeschlossen sein: 60 Kita-Plätze mehr.
Damit sei Kleinmachnow einen Schritt weiter als Teltow, erklärt Marco Lietz,
stellvertretender Leiter des Teltower Kita-Eigenbetriebs. Auch hier musste noch
niemand abgewiesen werden, doch in den Räumen wird es immer enger. Pläne, zwei
Teltower Kitas zu erweitern, lägen bereits vor, seien aber eben nur Pläne.
Dabei sei besonders im Krippenbereich der Andrang massiv, seit das neue
Elternzeitgesetz wirke, erklärt Lietz.
„Hier explodiert es“, warnt auch Wolfgang Kettmann von der Nuthetaler
Gemeindeverwaltung. Die Kita-Prognosen, auf die er jeden Tag blickt, sehen
nicht gut aus: Bedarf an allen Ecken und Enden. Noch konnte er alle Kinder
unterbringen, doch im kommenden Jahr werde sich die Situation „dramatisch“
ändern, obwohl man sich in Nuthetal auf der sicheren Seite fühlte. „Plötzlich
haben wir enormen Nachholbedarf“, sagt Kettmann. „Viele Eltern, die vor zwei
oder drei Jahren ihr erstes Kind bekommen haben, wollen nun ein zweites“.
Auch für Capuths Kita-Leiterin Anne Goldberg ist das neue Elternzeitgesetz der
Grund für diesen Babyboom im Speckgürtel. Viele Menschen seien in den
vergangenen Jahren zugezogen. „Einige Eltern haben mir erzählt, dass sie sich
nach dem neuen Gesetz für ein zweites Kind entschieden haben.“ Seit 1. Januar
2007 werden einem Elternteil bis zu 14 Monate 67 Prozent vom Nettoverdienst
gezahlt, wenn es zu Hause bleibt. „Danach könnte hier allerdings das böse
Erwachen kommen“, fürchtet Goldberg. Einige Eltern seien sehr erschrocken
gewesen, dass der Caputher Kindergarten überfüllt ist. „Sie fürchten um ihren
Job.“
Ab dem Jahr 2013 soll ein Rechtsanspruch auch auf die Kinderkrippe bestehen.
Schwielowsees Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU) versprach, schnell nach
Lösungen zu suchen. Beim Kita-Neubau in Geltow – die alte wurde wegen Restitutionsansprüchen
geräumt – habe man die Planungen noch nachträglich dem höheren Bedarf
angepasst, zumal es für den Krippenteil Fördermittel gab. Im Caputher
Ortsbeirat am Dienstagabend war man sich derweil bereits einig: Der Ort
benötigt einen zweiten Kindergarten, vielleicht bald auch eine größere Schule.