PNN 16.07.08
Kleinmachnows Gemeindevertreter vertagen Entscheidung zur
Bebauung des Buschgrabenareals
Von Peter Könnicke
Kleinmachnow - Am
Ende wurde es pathetisch. „Wer Vernunft gebraucht, muss sein Gewissen nicht
strapazieren“, dozierte Kleinmachnows CDU-Fraktionschef Ludwig Burkardt. Nur:
Wo beginnt Vernunft und wo hört sie auf? Ist es vernünftig, eine übrig
gebliebene Grünfläche an der Nahtstelle zwischen Kleinmachnow und Berlin zu
bebauen? Ist es vernünftig, sich gegen den Willen hunderter Kleinmachnower zu
stellen, die Bedenken gegen eine Bebauung des Buschgrabengebiets geäußert
haben. Und ist es unvernünftig, den Eigentümern des Areals zu verwehren, auf
ihrem Grund und Boden Häuser zu errichten?
In diesem Spannungsfeld bewegten sich Kleinmachnows Volksvertreter seit
Monaten. Nicht wenige waren hin- und hergerissen bei der Frage, ob sie einen
Teil des Umfeldes am Buschgrabensee zu Bauland erklären. „Ich quäle mich
mörderisch“, gestand Klaus-Jürgen Warnick, Fraktionschef der Linken, jüngst im Ortsparlament.
Bislang ist das Areal nicht definiert.
Die Mauer hatte das Gebiet für Jahrzehnte zum Niemandsland gemacht. Nach dem
Mauerfall entwickelten sich zwei Dinge gleichzeitig: Die Natur eroberte sich
auf dem einstigen Grenzstreifen ihren Lebensraum mit üppiger Vegetation wieder.
Und die Familie Gérard, deren Vorfahren das Land vor 70 Jahren für
Siedlungszwecke gekauft hatten, planten die Verwirklichung dieser alten Idee.
53 „hochwertige, familienfreundliche Wohnungen in verkehrsberuhigter Lage“, sollen
entstehen, so Alexander Gérad, der die Interessen der Eigentümer-Familie
vertritt. Dafür müssen die Kleinmachnower ihren Flächennutzungsplan (FNP)
ändern – jenes Werk, das definiert, wo im Ort künftig gebaut und wo Flächen
unberührt bleiben sollen. Ende vergangenen Jahres beschloss die
Gemeindevertretung mehrheitlich, die Festlegung für einen knapp sieben Hektar
großen Teilbereich am Buschgraben so zu ändern, dass seine Bebauung möglich
ist. Die vorausgegangene Debatte mündete in der finalen Grundsatzfrage, ob der
Ort bei allen seinen bereits ausgewiesenen Bauflächen ein weiteres
Siedlungsgebiet braucht.
Die Kleinmachnower, die sich zu der geplanten FNP-Änderung zu Wort gemeldet
haben, gaben eine klare Antwort: Nein! Über 1000 Einsendungen mit Vorbehalten
und Hinweisen schickten sie ins Rathaus – viele der Absender schlossen sich dem
Inhalt eines Musterbriefes an. Der Umstand, dass das Buschgraben-Areal vor 70
Jahren teilweise bereits als Bauland vorgesehen war, sei kein Grund, ein
heutiges Erholungsgebiet zu stören oder gar zu vernichten, heißt es in der
Kritik. Viele, die sich zu den Plänen ablehnend äußerten, wohnen in
unmittelbarer Nachbarschaft des Buschgrabens – wie in der Straße Wolfswerder,
die einen Großteil des künftigen Verkehrs in die neue Siedlung aufnehmen
müsste.
Es gibt aber auch andere Bedenkenträger. Der Landkreis warnt vor dem Verlust
natürlicher Freiräume. Aus Berlin kommt die klare Ansage, dass von Zehlendorf
aus keine Straße in die geplante Siedlung führen wird, womit sich deren Erschließung
schwierig gestaltet. Die Regionale Planungsgemeinschaft verweist auf andere
planungsrechtlich gesicherte Potenziale in Kleinmachnow, die vorrangig
entwickelt werden sollten. Und die Landesplaner betonen, dass die Flächen am
Buschgraben künftig zwar als Siedlungsbereich dargestellt werden könnten, doch
man sich auf diese Absicht derzeit noch nicht berufen kann. Dass man im
Kleinmachnower Bauamt trotz der vielen Bedenken bei der Abwägung des Für und
Wider zum Ergebnis kam, dass eine Bebauung gerechtfertigt ist, verblüffte
Gemeindevertreter Herbert Franke: „Dem kann ich nicht folgen.“
Bei den Gemeindevertretern erzielten der massive Unmut und die sachlichen
Hinweise indes Wirkung. SPD-Fraktionschef Michael Scharp, der sich zunächst
unbeeindruckt von den vielen Protesten zeigte , gestand letztlich: „Die vielen
Einwände haben mir zu denken gegeben.“ Er wolle sich nicht vorwerfen lassen,
das letzte Grün der Gemeinde vernichtet zu haben. Daher schlug er als
Kompromiss vor, einige Flurstücke nicht zu bebauen. Doch es wäre für
Linke-Fraktionschef Warnick „ehrlicher“ gewesen, wenn man die bereits
getroffene Entscheidung zur Änderung des FNP komplett revidiert. Er selbst, so
Warnick, „quäle sich seit Tagen. Es ist die schwerste Entscheidung der
vergangenen zehn Jahre“. Und da „noch einiges ungelöst ist“, plädierten die
Linken dafür, eine Entscheidung zu vertagen. Dem schloss sich die Mehrheit des
Ortsparlamentes an.
Als „knappen Sieg der Moral und der Vernunft über die Macht des Geldes“ feierte
die Bündnisgrüne Barbara Sahlmann das Votum. Dass sie einigen Abgeordneten
unterstellte, dem jahrelangen, „mühevollen Werben“ des Mit-Eigentümers Gérard
für eine Bebauung erlegen zu sein, tadelte Parlamentschef Klaus Nitzsche zwar
als „grenzwertig“. Doch wundert sich Sahlmann über die vermeintlich wenig
kritische Auseinandersetzung einiger Abgeordneter mit den Siedlungsplänen.
All das konnte CDU-Fraktionschef Burkardt weder verstehen noch akzeptieren. Die
Vorlage, in der das Bauamt die Abwägung der Bedenken zusammenfasst, sei „die
beste der letzten fünf Jahre“, lobt er. „Eine sachgerechte Abwägung“, weshalb
es keiner Gewissensentscheidung bedürfe. Auch Bürgermeister Wolfgang Blasig
(SPD) warnte, die Beschlussvorlage über Gebühr zu kritisieren: „Das ist ja
keine Laune, sondern sachliche Arbeit.“ Die angestrebte Zahl von 53
Wohneinheiten sei bereits ein Kompromiss, denn es waren schon einmal 160
geplant. Ohne neue Erkenntnisse, so Blasig, werde sich an dem Ergebnis der
Abwägung nichts ändern und der Beschluss wieder so vorgelegt, wie er jetzt ist.
Doch auch die entscheidende Frage bleibt gleich: „Wir stehen vor dem letzten
Stück Grün“, so SPD-Gemeindevertreter Walter Haase. „Und wir müssen
entscheiden, was damit passiert.“ Für viele Abgeordnete bleibt das eine Frage
des Gewissens.