Potsdamer Neueste Nachrichten 24.06.08
Ungläubiges Siegerlächeln
Bernd Albers hat viele überrascht. Vielleicht sogar sich selbst. Jetzt ist
er Stahnsdorfs neuer Bürgermeister
Von Peter Könnicke
Stahnsdorf - Das
Lachen eines Siegers sieht anders aus. Nahezu ungläubig, die Mundwinkel
skeptisch verzogen, registriert Bernd Albers, dass ihn die Stahnsdorfer soeben
zu ihrem neuen Bürgermeister gewählt haben. Er faltet die Hände, als flüstere
er in einem inneren Stoßgebet: „Oh mein Gott, die haben mich tatsächlich
gewählt!“
Überraschend deutlich ließ Albers am Sonntag in der Stichwahl um den
Bürgermeister-Posten die SPD-Kandidatin Ruth Barthels hinter sich: 57 Prozent!
15 Prozent Vorsprung. Sportlich habe er seine Kandidatur gesehen, meinte
Albers. Mit einer Low-Budget-Börse und als Herausforderer der Etablierten, vor
allem von SPD und CDU, aber auch von den Linken und den Liberalen, trat er für
die Initiative „Bürger für Bürger“ an. Ganz sportlich noch seine Jubelpose vor
drei Wochen, als er im ersten Wahlgang auf 34 Prozent kam, sich mit Barthels für
die Stichwahl qualifizierte und die Arme hochriss: „Nicht schlecht für eine
kleine Wählerinitiative“, so sein akzentuierter Hinweis auf die Rolle des
Underdogs.
Am vergangenen Sonntagabend blieb der
große Jubel aus – bei Albers und auch bei denen, die zur Präsentation des
Wahlergebnisses in den Ratssaal gekommen waren. Für Albers ist in diesem Moment
aus dem Abenteuer Ernst geworden. Bei der Frage, wie weit man als politisch
nahezu Unerfahrener, mit einer beruflich eher unaufgeregten Vita und ohne Partei
im Rücken, die Großen ärgern kann, ist er – zur eigenen Überraschung – übers
Ziel hinausgeschossen.
Er hat die politischen „Großmächte“ nicht nur in Verlegenheit gebracht, er hat
sie geschlagen. Oder anders: Albers’ Sieg ist das große Versagen der Volksparteien
im Ort und Zeichen des Verdrusses vieler Stahnsdorfer. Die CDU offenbarte ihre
Personalnot, ihre verfehlte Nachwuchspolitik und ihre Selbstüberschätzung mit
dem wenig sinnvollen Einfall, die unpopuläre Bauamtsleiterin Ute Stelter
anzubieten. Die Linken nominierten einen No-Name, die FDP machte nur zum Schein
mit. Die Grünen hatten erst gar keinen Bewerber.
Und die SPD hat den Heimat-Bonus unterschätzt und stellte die gerade erst aus
Kleinmachnow gekommene Ruth Barthels in den Ring. Die führte einen engagierten
Wahlkampf, setzte gute thematische Schwerpunkte. Doch schaffte es Barthels
nicht, Vorbehalte auszuräumen, die Stahnsdorfer Verhältnisse nicht gut genug zu
kennen. Und dem verblassten Profil der Stahnsdorfer SPD vermochte sie keine
ausreichend starken Konturen zu geben. Zudem verlor Barthels durch das
Ausscheiden der CDU-Kandidatin Stelter das klassische Feindbild; der Kampf
gegen den verbliebenen Widersacher war ein Kampf gegen ein Phantom: Albers
tauchte nie richtig auf und war doch in aller Munde.
Doch Albers’ Sieg ist nicht nur Ausdruck fehlender personeller Alternativen und
mangelnden Durchsetzungsvermögens der Ortsparteien. Er ist Beleg, dass eine
Kommune wie Stahnsdorf – im positiven Sinn – Provinz ist. Es beeindruckt den
Stahnsdorfer Wähler wenig, wenn man sich im Dorf mit bundespolitischer
Prominenz blicken lässt. Es dürfte sie bei ihrer Wahlentscheidung kaum
beeinflusst haben, dass sich Bundes-Kassenwart Peer Steinbrück (SPD) beim
Technischen Hilfswerk in der Potsdamer Straße in ein Rettungsboot gesetzt hat.
Oder dass Deutschlands Ober-Lehrerin Annette Schavan (CDU) an der Zille-Schule
eine Stunde Politikunterricht gab. In einer Kommune wie Stahnsdorf geht es um
ausreichend Klassenzimmer in der Grundschule und um einen neuen Hort, um
Radwege und Straßen, um Jugendklub und Feuerwehr, um Wald und Wiesen –
vordergründig. Albers versprach, was viele Stahnsdorfer hören wollten. Er
verhieß eine „Phase der Konsolidierung“ – weniger Bauaktivitäten, stattdessen
eine Genese der sozialen Infrastruktur.
Doch unterliegt Stahnsdorf nach wie vor einem enormen Siedlungs- und
Entwicklungsdruck. Investoren begehren brach liegende Areale. Die neue
Landesstraße 40 wird ein vielfrequentierter Handelsweg mit direktem Bezug zu
Stahnsdorf sein. Der künftige internationale Flughafen birgt Chancen für die
gesamte Region.
Als Wirtschaftsstandort muss sich Stahnsdorf allein schon deshalb etablieren,
um weiter finanzielle Stärke zu entwickeln. Im regionalen Streben nach einem
vom Land geförderter Wirtschafts- und Siedlungskern sind Stahnsdorfs Potenziale
unverzichtbarer Baustein. Die gilt es, ausgewogen zu entwickeln. Daher raunten
sich am Sonntagabend nicht wenige die Frage zu: „Ob Albers das kann?“ Im
Vergleich mit seinem Vorgänger Gerhard Enser (CDU), der oft mit
staatsmännischer Geste und der Strenge eines Ex-Bundeswehr-Offiziers die
Geschäfte führte, macht sich Skepsis breit.
Er wisse, so Albers, was man einer Verwaltung zumuten kann. Als gelernter
Betriebswirt wisse er kaufmännisch zu denken und als diplomierter Jurist
Gesetze zu lesen. Dennoch: „Er wird die Hilfe der Gemeindevertretung brauchen“,
prophezeit WirVier-Fraktionschef Dietrich Huckshold. Albers setzt sogar darauf.
Er wolle die Kräfte bündeln, zwischen den Parteien moderieren und gemeinsam die
besten Lösungen für Stahnsdorf finden.
Nun ja: Wenn sich die politische Familie und die Bürgerschaft wegen oder besser
durch Albers ausspricht und alle zusammenfinden, ist die Wahl eine gute für
Stahnsdorf.