Potsdamer Neueste Nachrichten 19.06.08
Kompetenz-Gerangel
Feinheiten vor dem Finale im Stahnsdorfer Bürgermeister-Wahlkampf / Ruth
Barthels contra Bernd Albers
Von Peter Könnicke
Stahnsdorf - Manchmal
sind es Feinheiten, die den Unterschied ausmachen. Klein wie Sandkörner, die
eine Waage ausschlagen lassen. Im Stahnsdorfer Bürgermeister-Wahlkampf, der am
Sonntag in das Finale geht, sind es zwei Wörter, die von den beiden
verbliebenen Kandidaten in die Waagschale geworfen werden: „Für“ und „aus“.
Während Ruth Barthels Kompetenz für Stahnsdorf verspricht, wirbt Kontrahent
Bernd Albers mit Kompetenz aus Stahnsdorf.
Ruth Barthels, mit der die örtliche SPD angetreten ist und die sich mit 40
Prozent für die Stichwahl qualifizierte, hat in den vergangenen Wochen
verstärkt ihre Kompetenz betont, um den Unterschied zu ihrem Gegner deutlich zu
machen. Mit Kompetenz für Stahnsdorf wirbt sie und verweist dabei auf ihre
Manager-Qualitäten aus ihrer Führungsposition bei der Post AG sowie auf ihre
kommunalpolitischen Erfahrungen als Kleinmachnower Gemeindevertreterin.
Bernd Albers, der als unabhängiger
Kandidat der „Bürger für Bürger“ im ersten Wahlgang mit 34 Prozent überraschte,
reklamiert auf einem großflächigen Plakat mitten im Ort „Kompetenz aus Stahnsdorf“.
Der 39-jährige Diplom-Jurist setzt auf seine Wurzeln in der Gemeinde. Er bemüht
seine Ortsverbundenheit, bedient den „Kumpeltyp“, der sich zum Schwatz über den
Gartenzaun lehnt und ein offenes Ohr für die großen und kleinen Sorgen der
Einwohner hat. Er zitiert die Zeit, in der die freie Wählerinitiative und
Albers als Sachkundiger in verschiedenen Fachausschüssen Gemeindepolitik
machten, bevor die CDU dank ihres nun scheidenden Bürgermeisters Gerhard Enser
die dominierende Rolle in Stahnsdorf übernahm und für die „Bürger für Bürger“
nur noch ein Platz im Ortsparlament übrig blieb.
Vielleicht ist das schlechte Abschneiden der CDU-Kandidatin Ute Stelter – sie
kam auf lediglich 13 Prozent – ein erstes Zeichen, dass diese Dominanz der CDU
selbst nicht unbedingt gut getan und sie an Profil verloren hat. Umgekehrt sind
34 Prozent für Albers Ausdruck einer Sehnsucht vieler Stahnsdorfer Wähler nach
parteilicher Unabhängigkeit und einem Rathauschef ohne politische Fußfesseln.
Vor allem in den kleinen Ortsteilen, die mehr um Aufmerksamkeit und Wahrnehmung
ringen müssen als die „Ortsmetropole“, traut man Albers eine ausgleichende
Regentschaft mehr als der Sozialdemokratin Barthels zu. Nicht von ungefähr
empfiehlt die in den Ortsteilen aktive Wählerinitiative „Wir Vier“ Albers zur
Wahl. Bei allem Fortschritt und professioneller Führung, den es in den
vergangenen Jahren für Stahnsdorf bedurfte, fühlen sich die „kleinen Leute“ mit
ihren Sorgen etwas allein gelassen. Bei Albers wähnen sich nicht wenige an der
richtigen Adresse.
Andere, wie die Stahnsdorfer Bündnisgrünen, setzen eher auf Barthels
Fähigkeiten, um auf Stahnsdorfs vielen Baustellen Regie zu führen. Für ein
ausgewogenes Wachstum des Ortes ohne Verlust seiner Vorzüge als Wald- und
Gartengemeinde habe sie die überzeugenderen Rezepte. Barthels programmatische
Ansätze für Stahnsdorf ließen mehr Verlässlichkeit, Belastbarkeit und
Nachhaltigkeit erkennen, heißt es. Barthels selbst hat in den drei Wochen nach
dem ersten Urnengang weniger thematische Unterschiede zu Albers strapaziert –
in der aktuell dominanten Debatte um den künftigen Gymnasiumsstandort gibt es
auch keinen – , sondern pauschal ihre Kompetenz in den Vordergrund gerückt. Das
dazu ihre Fähigkeiten als Kleinmachnower Gemeindevertreterin gehören sollen,
hat zwar einige ihrer dortigen ehemaligen Parlamentskollegen zu einer
kritischen Abrechnung animiert. Doch verbieten sich viele Stahnsdorfer – zu
Recht – die Einmischung aus der Nachbarschaft in ihre Wahlentscheidung.
So vermag der langjährige Stahnsdorfer FDP-Gemeindevertreter Günter Wüstenhagen
allein zu erkennen, dass Stahnsdorf „nicht Veränderung, sondern die solide
Fortführung der Aufgaben“ braucht, und Barthels aus seiner Sicht dafür nicht
geeignet ist. Und die CDU spricht sogar beiden Kandidaten die nötige Kompetenz
für das Bürgermeister-Amt ab. Ohne Wahlempfehlung endete zu Wochenbeginn die
Mitgliederversammlung der Christdemokraten. „Für Stahnsdorf werden die nächsten
Jahre zur Nagelprobe und wir hoffen, dass die gute Arbeit des bisherigen Bürgermeisters
fortgesetzt wird", so CDU-Ortsparteichef Peter Weiß.
In der Tat: Flächennutzungsplan, der Bau der Landesstraßen 40 und 77, ein neues
Haushaltswesen, die Ansiedlung eines Gymnasiums für die Region, weitere
Siedlungstätigkeit, damit verbundener Zuzug und eine notwendige soziale
Infrastruktur, der regionale Selbstfindungsprozess, die Profilierung als
Wirtschaftsstandort, Schuldenabbau, ein funktionierendes Gemeinwesen, bei dem
die Anliegen aus der Bürgerschaft respektvollen Umgang erfahren – all diese
Herausforderungen verlangen facettenreiche Führungsqualitäten. Ruth Barthels
und Bernd Albers halten sich für ausreichend kompetent, diesem Führungsanspruch
gerecht zu werden.
Im Duell der beiden Kandidaten hat sich im Endspurt der vergangenen Wochen kein
klarer Favorit herauskristallisiert. Beim knappen Vorsprung der
Sozialdemokratin vor dem Bürger-Kandidaten können es am Sonntag Feinheiten
sein, auf die die Stahnsdorfer sensibel reagieren. Dabei sollten sie auch
selbst Kompetenz demonstrieren: Die, entscheiden zu können.