Potsdamer Neueste Nachrichten 19.04.08
Gutachter rechtfertigt Kosten-Nutzen-Analyse zur Stammbahn / Gleisanschluss für Region gefordert
Kleinmachnow - Das
Ergebnis ist eindeutig: Die 175 Millionen Euro für den Wiederaufbau der
Stammbahn von Griebnitzsee über Zehlendorf und den Potsdamer Platz zum
Hauptbahnhof lohnen sich nicht. Der Kosten-Nutzenfaktor liegt lediglich bei
0,7. Erst bei einem Wert von 1,0 wäre die Investition gerechtfertigt. Zu diesem
Resultat kommen die Gutachter der Münchner Intraplan Consult GmbH, die im
Auftrag der Länder Berlin und Brandenburg die Wirtschaftlichkeit der
Reanimation der ersten preußischen Eisenbahnstrecke untersucht haben.
Doch das aus „volkswirtschaftlicher Sicht unzureichende Ergebnis“ der
Kosten-Nutzen-Analyse bleibt nicht unwidersprochen. So moniert im Vorfeld einer
Präsentation der Studie am Montag im brandenburgischen Infrastrukturministerium
der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Jens Klocksin,
„handwerkliche Fehler“. Die Gutachter würden sich auf Prognosen für
Bevölkerungszahlen in Berlin und das südliche Umland stützen, die heute schon
erreicht seien. Auch das für das Betriebsystem der Stammbahn zugrunde gelegte
Regionalbahnkonzept sei fehlerhaft, weil sich darin nicht der aktuelle
Nahverkehrsplan widerspiegle. Für den Chef des Europarcs Dreilinden ist die
Studie eine Katastrophe. „Wir sind immer davon ausgegangen, dass die Stammbahn
kommt und am Europarc halt macht“, so Walter Brümmer. Der Europarc gilt als
attraktiver Gewerbestandort, die ebay-Europazentrale hat sich hier angesiedelt
und einen Großteil der 2100 Arbeitsplätze an der A 115 geschaffen. 6000
Arbeitsplätze könnten bis zum Jahr 2020 im Europarc entstehen, so Brümmer, doch
dafür bräuchte man den Anschluss ans Schienennetz. Dass die Gutachter lediglich
von 4500 Beschäftigten im Europarc ausgehen, sei nicht nachvollziehbar und
führe zu einem verfälschten Ergebnis. „Die Stammbahn“, meint auch Kleinmachnows
Bürgermeister Wolfgang Blasig (SPD), „ist wichtig für die wirtschaftliche und
räumliche Entwicklung der Region.“ Die Nutzen-Kosten-Studie sei nur ein
Schritt, aber nicht das Ende beim Vorhaben, die Stammbahn aufzubauen.
Für Utz Senger von Intraplan Consult
spricht das Gutachten indes eine klare Sprache. Auch wenn man bestimmte
Prognosen optimistischer ansetze, würde sich der Kommawert hinter der Null des
Kosten-Nutzen-Faktors „nur marginal“ ändern. „Wir sind Lichtjahre von der
1,0-Hürde entfernt“, sagte der Projektleister gestern gegenüber den PNN. Das
sei für den Bund, der den Wiederaufbau der Strecke finanzieren müsste, „das
einzig entscheidende Kriterium.“
Dem Arbeitskreis mit Vertretern des Bundes, den Ländern Berlin und Brandenburg
sowie der Deutschen Bahn AG sei die Annahme von künftig 6000 Arbeitsplätzen
ohnehin schwer zu vermitteln gewesen, so dass die nun in der Studie
prognostizierten 4500 Arbeitsplätze ein Kompromiss seien. Auch die Kritik, dass
die Gutachter von ihren eigenen Aussagen abweichen, vermag Senger zu entkräften.
In einer Studie, die Intrapaln bereits 1996 für das Stammbahn-Projekt fertigte,
gingen die Gutachter durch den Umstieg auf die Bahn von täglich 6500
Autofahrten weniger aus. Die aktuelle Studie geht nur noch von 2460 Umsteigern
aus. Utz erklärt das mit den damaligen Prognosen für Einwohner- und
Beschäftigungszuwächse in Berlin und Brandenburg. „Die waren weitaus
optimistischer als heute.“ Das Wachstum der Region Teltow sei zwar nicht zu
leugnen, doch in der wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung für das Stammbahn-Projekt
führe dies zu keinem anderen Ergebnis.