Potsdamer Neueste Nachrichten 12.04.08

 

Wundes Pflaster

Die Straßenlandschaft im Weinberg-Viertel ist ein Denkmal – die Gemeinde hält das für übertrieben

Kleinmachnow - Der eilige, unkundige Passant mag sogar fluchen: der Weg ist holprig, die Bordsteine sind schief, man stakst mehr über den Gehsteig Im Tal als man läuft. Doch das Pflaster im Kleinmachnower Weinberg-Viertel ist wertvoll; zumindest haben die Landesdenkmalpfleger im vergangenen Jahr die Straßenanlage des gesamten Karrees unter Schutz gestellt. Und den Anwohnern ist das Bernburger Mosaik, wie die zur Gehwegbefestigung verwandten Granitklötzer heißen, heilig.

Eine Anwohnerinitiative betrieb eine intensive Aufklärungkampagne über die Architekturgeschichte des Viertels und die Einzigartigkeit des historischen Straßenpflasters, so dass bei geplanten Straßenbauarbeiten in der Siedlung der mahnende Zeigefinger regelmäßig Pate steht. Mit Argusaugen wachen Nachbarn, dass bei Bauvorhaben mit dem Belag schonend umgegangen wird. Alles andere als im Schongang machten sich in dieser Woche Arbeiter einer Rohrleitungsfirma ans Werk, als sie einen Teil des bepflasterten Weges Im Tal aufrissen. Der Stromlieferant E.ON edis will das Viertel über eine leistungsfähige 20 000 Volt-Leitung versorgen – natürlich unterirdisch. An einigen Stellen soll dazu der Weg aufgegraben werden, um dann unter der Erde 60 bis 70 Meter lange Strecken für die Leitungen zu bohren. Zum Teil ist aber auch ein offene Bauweise notwendig, wofür über längere Abschnitte der Weg aufgerissen wird. Dass dies aber auch da erforderlich und vor allem genehmigt worden ist, wo das Bernburger Pflaster liegt, wollte Michael Lippoldt nicht glauben. Als sich dieser Tage ein Bagger ins historische Pflaster grub, schlug Lippoldt Alarm. Mit Erfolg: Die regionale E.ON edis-Bauabteilung ließ die Arbeiten stoppen, die herausgerissenen Pflastersteine wurde schleunigst wieder verlegt und am nächsten Tag trafen sich der Bauchef des Stromanbieters, die Leitungsbauer und zwei Mitarbeiter der mittelmärkischen Denkmalschutzbehörde zur Visite vor Ort.

Denkmalpfleger Andreas Kerkow sparte sich die lange Vorrede: „Das Weinbergviertel steht auf der Landesdenkmalliste. Darüber war das Planungsbüro informiert und wir erwarten, dass unsere Belange berücksichtigt werden.“ Einen chirurgischen Präzissionseingriff zu fordern, wäre zu viel verlangt. Aber ein „Substanz schonendes Verfahren“ erbittet sich Kerkow schon. Schließlich „sollen sich die heftigen Verwerfungen nicht fortsetzen,“ meint er. Offensichtlich: Die Denkmalschützer sind alles andere als amüsiert über die Pflaster-Wunde. Zwar dekoriert das Bernburger Mosaik nicht vollständig das Viertel, doch liegt der Denkmalwert im exemplarischen Gehalt für die Kleinmachnower Siedlungsgeschichte.

Die beteiligten Baufirmen vor Ort beteuerten gegenüber dem herbeigeeilten Anwohner Lippoldt, dass im Pflasterprotokoll des Kleinmachnower Bauamtes kein Wort über den Denkmalschutz stehe. Und da Lippoldt für die Kleinmachnower FDP im Bauausschuss der Gemeindevertretung agiert, lässt die politische Schelte nicht lange auf sich warten. Wenn das Bauamt tatsächlich unzureichend informiert hat, „ist das ein Skandal“, empört sich FDP-Fraktionschefin Kornelia Kimpfel.

Tatsächlich tut man sich im Rathaus schwer anzuerkennen, dass die Straßenanlage im Weinbergviertel Denkmalwert hätte. In einem Widerspruch an das Landesamt für Denkmalpflege stellt die Verwaltung die geschichtliche Bedeutung der Siedlung für die Ortsentwicklung ebenso in Abrede wie die technische, künstlerische und städtebauliche Bedeutung des Straßenlandes. „Willkürlich“ würden die Feststellungen im Bescheid der Landesbehörde anmuten, heißt es in den Schreiben.

Für „unzulässig und unbegründet“ hält die FDP-Fraktion den Widerspruch. Sie fordert Bürgermeister Wolfgang Blasig (SPD) auf, die Entgegnung zurückzuziehen. Die Verwaltung maße sich an, in die ausschließliche Kompetenz der Gemeindevertretung einzugreifen, die die Eintragung der Straßen in die Denkmalliste des Landes Brandenburg niemals in Frage gestellt hat. Zudem ist für die FDP-Fraktion das Schreiben ein Indiz für eine „möglicherweise unzureichende Kontrolle der Verwaltung durch den Bürgermeister“. Denn dessen Meinung könne der Widerspruch nicht sein. Denn Blasig selbst habe nach eigenem Bekunden die Unterschutzstellung am Weinberg betrieben und öffentlich seine Freude erklärt, ein solches „Kleinod“ erhalten zu dürfen. Peter Könnicke