Potsdamer Neueste Nachrichten 09.04.08

 

„Widerstand lohnt sich immer“

Kleinmachnows Grünen-Bundestagsabgordnete Cornelia Behm hält Schleusenausbau weiter für unnötig

Die Binnenschifffahrt ist im Aufschwung. Nach aktuellen Statistiken werden so viel Güter über die Wasserstraßen transportiert wie seit Jahren nicht mehr. Auch an der Kleinmachnower Schleuse haben Schiffsverkehr und Transportaufkommen zugenommen. Gibt es noch länger Grund, den Ausbau der Schleuse abzulehnen?

Ich meine, dass auch dieser Anstieg des Transportaufkommens den Ausbau der Schleuse auf eine Länge von 190 Metern nicht rechtfertigt. Wir haben jetzt aktuell eine Zahl von 55 Schubverbänden pro Jahr. Das würde bedeuten, dass - gut gerechnet - einmal in der Woche ein, maximal zwei Schubverbände die Schleuse passieren. Das ist für mich überhaupt kein Grund, so viel Geld in die Hand zu nehmen, so viel Natur zu zerstören und Risiken in Bezug auf den Klimawandel einzugehen. Wir haben das akute Problem, dass wir in Brandenburg weniger Wasser haben, wovon auch staugeregelte Wasserstraßen betroffen sind: Wenn wenig Wasser im Trog ist und nach einer großen Schleusung mehr Wasser die Wasserstraße hinunterfließt, bekommen wir weitere Probleme. Aufwand und Nutzen stehen in Anbetracht des Risikos in keinem Verhältnis.

Nun ist man bei der Binnenschifffahrt und bei den Wasserstraßen-Behörden recht optimistisch, dass der Aufschwung anhält und weiterhin mehr Schiffe unterwegs sein werden. Ab welcher Größenordnung würden sich der Aufwand rechtfertigen, die Schleuse in Kleinmachnow und die märkischen Wasserstraßen auszubauen?

Wenn ich jeden Tag mehrere Schleusungen habe und ich keine andere Wasserstraße für diese Schubverbände nutzen kann, sollte man sich das überlegen. Das setzt aber auch voraus, dass dann die Wasserstraße für Schubverbände an allen Stellen durchgängig und die entsprechende Abladetiefe gewährleistet ist. Ich meine, dass man das derzeitige Transportaufkommen - selbst bei einem moderaten Anstieg, wobei der nach den Verkehrsprognosen nicht dauerhaft zu erwarten ist - mit anderen Schiffen bewältigen kann.

Wie erklären Sie den Widerspruch zwischen der Prognose des Bundes, die für Brandenburg eher einen Rückgang des Transportaufkommens in der Binnenschifffahrt andeutet, und dem derzeit gegenläufigen Trend?

Es gibt immer wieder Bauvorhaben in Berlin, bei denen Schüttgüter transportiert werden, was zu einem kurzzeitigen Anstieg führen kann. Auch zwischen 1995 und 2003 sind gravierende Schwankungen zu verzeichnen, die sicher mit großen Bauvorhaben in Berlin zusammenhängen. Da wir jetzt noch nicht einmal das Güteraufkommen von 1995/96 erreicht haben, liegt die aktuelle Entwicklung im ganz normalen Schwankungsbereich und rechtfertigt keinen Ausbau.

Nach der aktuell vorliegenden Auswertung des Bundesamtes für Statistik sowie des Wasser- und Schifffahrtsamtes zur Art des Transportguts sind es allerdings gar nicht so viel Schüttgüter, sondern Stahl, Kohle und Holz als Energieträger die übers Wasser transportiert werden. Der Zusammenhang mit der Bautätigkeit in Berlin, wie zur Bauzeit des Potsdamer Platz', lässt sich heute eigentlich gar nicht mehr in diesem Umfang herstellen.

Ja gut. Holz für Holzkraftwerke ist sicherlich mit dem Schiff zu transportieren. Über Kohle muss man ohnehin ernsthaft nachdenken. Da sollten die Berliner zwingend überlegen, ob sie den Ausbau des Kohlekraftwerks in Klingenberg wirklich wollen oder es nicht mit Gas betreiben wollen. Ich sehe durchaus eine Verbindung zwischen Vattenfall als Betreiber des Kraftwerks und dem Begehren, den Teltowkanal auszubauen.

Trotz aller Widerstände und sachlicher Argumentation ist es bislang nicht gelungen, die Planung für den Ausbau der Kleinmachnower Schleuse zu modifizieren und eine Kompromisslösung für eine kleinere Variante zu wählen. 2012 soll spätestens Baubeginn für eine 190-Meter-Schleuse sein. Macht Widerstand gegen das Projekt noch Sinn?

Widerstand lohnt sich immer, vor allem wenn man die besseren Argumente auf seiner Seite hat. Und die haben die Widersacher, weil sie nicht nur die aktuelle Situation betrachten, sondern die Zukunft im Blick haben. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass eine andere Regierung in Brandenburg anders über das Vorhaben denken würde. Interessant ist ja der Meinungswechsel, den Ministerpräsident Platzeck bei diesem Vorhaben vollzogen hat: Da hat es ja durchaus einmal Ablehnung gegeben und jetzt ist er dafür. Da fragt man sich, ob es da einen Zusammenhang gibt mit seiner Mitgliedschaft in der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie und er sich der Kohleindustrie verpflichtet fühlt.

Grundsätzlich waren Sie immer eine Vertreterin der Argumentation, die Wasserstraße als ökologischen Verkehrsträger auszubauen. Müsste Sie nicht eine Entwicklung, wie sie derzeit auf dem Teltowkanal zu verzeichnen ist, freuen?

Mich freut die Nutzung der Wasserstraßen, wenn man das auf eine natur- und umweltverträglichen Weise erfolgt. Es geht mir nicht allein nur um Naturschutzfragen, sondern um mehr. Es gilt nach wie vor unser immer wieder gepredigter Satz, die Schiffe den Wasserstraßen anzupassen. Das hat auch eine soziale Komponente: Die großen Schiffe werden von den großen Reedereien betrieben. Die kleinen Binnenschiffer, die wir im Moment noch haben, sind dann nur noch abhängig Beschäftigte. Wir haben eine Wasserstraße, die funktioniert und die bitteschön von den kleinen Binnenschiffern genutzt werden soll. Ich sehe diesem Trend zu immer größeren Schiffen, die derart mit Containern beladen werden, so dass man gar nicht mehr erkennt, dass es sich um ein Wasserfahrzeug handelt, für ziemlich abwegig. Auf den ostdeutschen Binnenwasserstraßen haben derartige Schiffe nichts zu suchen, zumal sie sehr abhängig vom Witterungsverlauf, von Hoch- und Niedrigwasser sind. Da ist eine ganzjährige Schiffbarkeit überhaupt nicht gewährleistet. Wir sollten die Havelwasserstraße im gegenwärtigen Zustand belassen und so gut es geht nutzen. Dazu die Kleinmachnower Schleuse sanieren, aber nicht ausbauen.

Nun sieht die Landesregierung Brandenburg nicht als Land der kleinen Binnenschiffer, sondern zunehmend als Transitland Richtung Osteuropa. Dafür reichen die jetzigen Bedingungen offenbar nicht aus.

Wenn man sich die Verkehrsprognosen und die Verkehrsverteilung gerade östlich von Berlin anschaut, kann man ganz klar erkennen: Da wird nichts stattfinden! Auch der Teltowkanal, also die Südtrasse der Havelwasserstraße ist über überhaupt nicht einbezogen in das überregionale Netz. Es besteht kein Bedarf, das entsprechend anbindungsfähig zu gestalten.

Wenn man Handel mit Osteuropa betreiben will - und Brandenburg ist nun mal das östlichste Bundesland - steht die Frage, über welche Verkehrswege das passieren soll.

Vor allem über die Schiene. Bei den Kosten, die Transporte verursachen, wird man über kurz oder lang sowieso davon Abstand nehmen, Produkte so weit zu transportieren. Man wird sich wieder stärker auf die regionale Produktion und Verteilung besinnen und nur Güter, importieren, die man selbst nicht herstellen kann und nur dort, wo man Marktführer ist, Produkte exportieren.

Das Gespräch führte Peter Könnicke