Potsdamer Neueste Nachrichten 23.02.08

 

Ein Lehrer für zwei Klassen

Immer mehr Eltern beklagen Notstand in den Schulen / Behörde: Die Region ist keine Problemzone

Von Peter Könnicke

Teltow - „Schule ohne Lehrer“ heißt ein Selbstlernsemester, das vor einiger Zeit an einem Schweizer Gymnasium probiert wurde. Die Idee, dass Schüler ohne Lehrer selbstständig lernen, ist nicht neu. Doch was andernorts lediglich als Experiment gedacht ist, droht an Grundschulen in Kleinmachnow, Teltow und Stahnsdorf zum Alltag zu werden. zumindest Eltern schlagen Alarm. „Kinder ohne Lehrer“ publizierten im vergangenen Jahr auf einer gleichnamigen Internetseite Kleinmachnower Väter und Mütter, nachdem eine vierte Klasse der Steinweg-Grundschule mehrere Monate ohne Klassenlehrer blieb.

Inzwischen beklagen auch Eltern in Ruhlsdorf, Teltow und Stahnsdorf Notstände an Grundschulen: Lehrermangel, Stundenausfälle, Überlastung. „Die Lehrer arbeiten am Limit“, schimpft Steffen Porthun, Elternsprecher der Ruhlsdorfer Grundschule „Am Röthepfuhl“. Für sechs Klassen gibt es sechs Pädagogen, nachdem eine Kollegin Anfang des Jahres in Ruhestand ging. Das Ausscheiden war dem Staatlichen Schulamt lange bekannt, die Behörde hatte auch rechtzeitig eine neue Lehrkraft zugeteilt, wenn auch nur für ein begrenztes Stundenkontingent. Nur: Die Kollegin ist nicht einsatzfähig, weil sich im Erziehungsurlaub befindet. „Wird jetzt einer der sechs Lehrer krank, ist das Chaos perfekt“, prophezeit Elternsprecher Porthun.

Knapp ist des Lehrerkollegium auch an der Anne-Frank-Grundschule in Teltow besetzt. Auf Ersatz für eine erkrankte Kollegin wartete man vergeblich, so dass mitten im Schuljahr der Stundenplan neu strukturiert werden musste, um Ausfälle zu verhindern bzw. zu kompensieren.

An der Stahnsdorfer Zille-Grundschule müsse man Klassen zusammenlegen, um Ausfälle zu vermeiden, berichtet Dietmar Otto, Vorsitzender der Elternkonferenz. Zusätzlicher Förderunterricht müsse ausfallen, weil die dafür vorgesehenen Lehrkräfte die Regelstunden erkrankter Kollegen übernehmen.

Weil die Notstandsmeldungen nicht abreißen, hat sich inzwischen ein regionaler Arbeitskreis gebildet, in dem sich Kleinmachnower, Teltower und Stahnsdorfer Eltern engagieren. Dessen Devise: Mit Druck lasse sich ein Problem kurzfristig lösen, doch es müsse sich grundsätzlich etwas ändern. Daher traf man sich in dieser Woche mit dem Leiter des Staatlichen Schulamtes Brandenburg, Ulrich Rosenau, um „frei von Schulzuweisungen zu schauen, was man fundamental ändern kann“, so Porthun. Nach dem Treffen war man weit vom erklärten Ziel entfernt. „Am Ende waren wir uns nicht mal einig, dass überhaupt ein Problem besteht“, bilanziert Porthun.

In der Tat befindet Rosenau: „Es gibt keinen Lehrermangel. Wir haben landesweit sogar einen Lehrerüberschuss.“ Und bei der Zuteilung der Lehrkräfte gebe es immer eine Vertretungreserve. Die Frage sei, wie die Schulen damit umgehen. Wenn Schulen zusätzliche Angebote organisieren – wie den Förderunterricht an der Zille-Grundschule – und dafür Lehrer beanspruchen, könne bei Ausfällen keine innere Reserve mehr mobilisiert werden, so Rosenau. Also kein Fachkräftemangel, sondern nur eine Frage der Organisation? „Nicht ganz“, so der Amtsleiter. Gerade an kleineren Schulen wie in Ruhlsdorf sei die Vertretungsreserve in der Tat nicht groß. Aber im Bedarfsfall „können wir den Personalbestand sehr schnell aufstocken“. Auch für die Grundschule am Röthepfuhl habe das Amt für die in Pension gehende Kollegin rechtzeitig Ersatz geplant – auf dem Papier. Auf dem stand allerdings nicht, dass sich die junge Pädagogin im Mutterschaftsurlaub befindet. „Das war nicht erkennbar“, räumt Rosenau ein. Man sei jetzt dabei, „nachzusteuern“.

Die Region Teltow sieht Rosenau nicht als besondere Problemzone. Hier, das stelle er völlig wertfrei fest, reagiere die Elternschaft sensibler als anderswo. „Es ist keine auffällige Häufung von Stundenausfällen erkennbar.“ Überhaupt ergebe die halbjährlich vorzulegende Statistik eine Ausfallquote im gesamten Land von nur zwei Prozent. „Es stimmt nicht, dass sich die Bedingungen verschlechtern“, so Rosenaus Interpretation.

Elternvertreter Otto rechnet da anders: An der Zille-Grundschule sei die Ausfallquote mit 0,6 Prozent nur deshalb so gering, weil im Ernstfall „ein Lehrer zwei Klassen beaufsichtigt“.