Potsdamer Neueste Nachrichten 22.02.08
Zündstoff Palmöl
Indonesische Umweltaktivisten spannen einen Bogen vom bedrohten Regenwald
bis nach Teltow
Von Kirsten Graulich
Teltow - Für die
Mieter der Wohnungsbaugesellschaft Teltow (WGT) war es eine gute Nachricht: Vor
einem Jahr wurde ihnen versichert, der Preis für Fernwärme bleibt in den
nächsten zehn Jahren stabil. Um unabhängig von steigenden Energiepreisen zu
sein, hatte sich die WGT für eine alternative Holzfeuerungsanlage entschieden –
gekoppelt mit einem Blockheizkraftwerk , das Strom aus Biodiesel erzeugt.
Schnell war Kritik lautgeworden, denn so ökologisch, wie die Vorsilbe „Bio“
suggeriert, ist der Brennstoff nicht, den der Betreiber aus Westafrika und
Indonesien bezieht.
Es handelt sich um Palmöl. „Die Teltower Anlage hat einen Jahresbedarf von 700
Tonnen“, hat Richard Martin von der Teltower „Agendagruppe Energie“
ausgerechnet. „ Dazu braucht man etwa 140 Hektar Ackerfläche mit Ölpalmen.“ Die
Agendagruppe hatte am Mittwoch zu einer Informationsveranstaltung in den
Bürgersaal eingeladen. Rund 50 Gäste kamen um zu erfahren, was die
Fernwärmeversorgung in Teltow mit der Abholzung des Regenwaldes in Indonesien
zu tun hat.
Am Anfang wurde ein Film vorgeführt:
Indonesische Bauern müssen zusehen, wie ihr Lebensraum, der Regenwald, Stück
für Stück neuen Palmölplantagen geopfert wird. Sie können nicht mehr jagen,
keine Felder anlegen oder Wurzeln und Kräuter sammeln. Das traditionelle
Bleiberecht der Bevölkerung gilt nicht mehr, seit die Regierung Lizenzen an
Großkonzerne vergibt, die das Land „erschließen“. Im Film sind Brandrodungen
dokumentiert, deren Ausmaße auf Satellitenaufnahmen zu erkennen sind.
Zwei indonesische Gäste, Feri Irawan und Nordin, bestätigten das in der
Dokumentation gezeichnete Bild. Da in den torfreichen Urwaldböden viel
Kohlenstoff gespeichert ist, entweicht bei den Bränden ein Vielfaches des
Kohlendioxids, das durch den Palmöl-Einsatz gespart werden kann. Weitere Folgen
der Abholzungen sind Erdrutsche, Überschwemmungen und knapper werdende
Nahrungsmittel. Orang-Utans und andere Tiere verlieren ihren Lebensraum.
In Südkalimantan, wo viele Orang-Utans lebten, gab es vor zwei Jahren noch 200
000 Hektar Palmöl-Plantagen, inzwischen sind es 600 000. Im ganzen Land wurden
bis jetzt bereits 6,5 Millionen Hektar Regenwald abgeholzt. Ein Ende sei nicht
absehbar, befürchten die beiden Indonesier, die sich in ihrem Land in
Umweltorganisationen engagieren.
Wurde Palmöl in den Jahren zuvor vor allem in der Nahrungs- und
Kosmetikindustrie eingesetzt, fließt es zunehmend in Blockheizkraftwerke und
wohl bald auch in Autotanks. „Bitte reduziert euren Bedarf und übertragt eure
Energiekrise nicht auf unser Land“, appellierte Nordin in der anschließenden
Diskussion, die sich um ein System für die Zertifizierung von Palmöl drehte.
Obwohl es die noch gar nicht gibt, behaupten viele Hersteller und Lieferanten,
solche Prädikate zu besitzen. Auch die Danpower GmbH, die das Teltower
Blockheizkraftwerk kürzlich in Betrieb genommen hat, hatte zunächst damit
argumentiert, zertifiziertes Palmöl vom Weltmarkt zu beziehen – bis die PNN
klarstellte, dass es bislang keine Zertifizierung gibt.
Für Palmöl-Monokulturen sollte es ein solche Ökolabel sowieso nicht geben,
sagte Nordin. „Das liefert den Konzernen ein Argument, den Kahlschlag
fortzusetzen.“ Ein Importverbot sei aber auch keine Lösung, es würde vor allem
die Plantagenarbeiter treffen. Vielmehr sollte der Status Quo erhalten und eine
weitere Ausdehnung der Plantagen verhindert werden. „Braucht ihr denn in
Deutschland wirklich Palmöl für Strom?“, fragte Nordin. Er riet dazu, über
andere Alternativen nachzudenken.