Potsdamer Neueste Nachrichten 29.10.07
Karin und Wolfgang Güthoff engagieren sich gegen Aids im Karibikstaat Belize
Kleinmachnow –
Heiligabend geht der Flug nach Belize. Weihnachten sind die Flüge am
preiswertesten, erklärt Karin Güthoff, Grundschullehrerin aus Kleinmachnow. Ihr
Mann Wolfgang Güthoff ist Oberarzt und Spezialist für Infektionskrankheiten am
Potsdamer Klinikum. Ins mittelamerikanische Belize treibt die beiden aber nicht
der Wunsch nach Erholung – auch wenn Wolfgang Güthoff sich für die Reise Urlaub
nimmt: Das Ehepaar betreibt seit sechs Jahren das „HIV-Projekt Belize e.V.“.
Für ihr Engagement wurden die Güthoffs unlängst von Bundespräsident Horst
Köhler mit dem Bundesverdienstorden ausgezeichnet.
2001 startete das Projekt mit Aufklärungsunterricht an 40 Schulen des
Karibikstaates. Für die Arbeit gab Karin Güthoff ihre Lehrerstelle in
Deutschland auf, bezog ein einfaches Zimmer in der Hauptstadt Belmopan. „Es war
der richtige Schritt, um in die Puschen zu kommen“, sagt Güthoff, die immer
noch „alle Vierteljahre“ über den Atlantik fliegt. Von den Schulkindern habe
sie viel über die Lebensart der Belizianer gelernt: Wegen der fehlenden
Aufklärung bekommen viele Mädchen mit 14 oder 15 ihr erstes Kind. „Kondom war
ein sündhaftes Wort“, erinnert sich Güthoff. Das hat sich geändert: In Clubs
und Restaurants verteilte der Potsdamer Florian Rummler als Projektmitarbeiter
2005 zunächst 20 000 Präservative mit Aufklärungs-Flyern. Die belizianische
Regierung stehe dem Projekt aufgeschlossen gegenüber.
Neben der Präventionsarbeit kümmern
sich die Güthoffs und ihre 15 Vereinsmitstreiter um die medizinische
Versorgung. „Es gibt kein Fachpersonal für Aids“, erklärt Wolfgang Güthoff, der
in Deutschland seit Ausbruch der Seuche an ihrer Bekämpfung arbeitet. „Verglichen
mit den Belizianern haben wir einen Wissenssvorsprung von zehn Jahren“, sagt
er. Bei seinen Besuchen verteilt er Medikamente, bildet Mitarbeiter der
Distriktkrankenhäuser aus. Oft seien die Labore zu schlecht ausgestattet. Auch
wenn seit drei Jahren eine HIV-Therapie in Belize angeboten wird, ist es für
die Ärzte vor Ort nicht möglich, das Blut der Patienten regelmäßig zu
untersuchen, um die Dosierung anzupassen. Die Folgen können verheerend sein,
erklärt Güthoff: Die Medikamente verlieren an Wirksamkeit, es entstehen
Resistenzen.
Wenn er die Kollegen in Belize auf Visiten begleitet, erinnere er sich oft an
die hilflose Situation, in der er selbst in der DDR der 1980er Jahre beim
Ausbruch der Aids-Seuche gesteckt hat: „Wir standen am Patientenbett, mussten
zusehen, wie die Leute gestorben sind.“ Seit 1996 gibt es in Deutschland gute
Behandlungsmöglichkeiten, sagt Güthoff. Umso schlimmer erlebt er die Situation
in Belize: „Die Menschen sterben, weil sie an der falschen Stelle geboren
sind.“ Diese Einsicht ist Antrieb für sein Engagement: „Gesundheit ist
Menschenrecht“, sagt der Mediziner.
Heute teilt sich der Kleinmachnower Verein in der 10 000-Einwohner-Stadt
Dangriga ein Haus mit einer belizianischen Organisation. Dort arbeiten
Praktikanten und Medizinstudenten aus Deutschland – unentgeltlich.
Im Januar 2008 startet ein neues Projekt: Ein Jahr lang sollen 40 Mädchen
zwischen 12 und 20 Jahren jeden Samstag intensiv beraten werden –
„Mädchen-Zukunfts-Werkstatt“ heißt das Programm. Die Mädchen sollen selbstbewusst
werden – auch im Umgang mit Sexualität. Referenten aus Belize sollen sie über
ihre Rechte aufklären, ihnen beibringen, wie man dem Freund sagt, dass er ein
Kondom benutzen soll. Das Wissen sollen sie als Multplikatoren an ihre
Freundinnen weitervermitteln. Momentan fehlt es noch an einem Auto, mit den die
Mädchen die aus den Dörfern abgeholt werden können. Den Projektstart will Karin
Güthoff unbedingt selbst begleiten – und bleibt dafür so lange, bis es eben
läuft: „Einen Rückflug habe ich noch nicht gebucht.“
Spendenstichwort „Mädchenzukunftswerkstatt“, MBS Potsdam, BLZ 160 500 00,
Kontonummer: 350 302 96 04.