Potsdamer Neueste Nachrichten 09.10.07

 

Gefühlter Rückenwind

Das Land sieht derzeit keine Chance für die Stammbahn – Befürworter sind demonstrativ zuversichtlich

Kleinmachnow - Trotz der zurückhaltenden Positionierung des Ministeriums für Infrastruktur und Raumordnung zur Stammbahn im Entwurf des Landesnahverkehrsplanes 2008 - 2012 spüren die Befürworter für den Wiederaufbau der Bahnlinie Rückenwind. „Inzwischen konnten wir eine ganze Reihe positiver Signale für die Wiederbelebung der Stammbahn registrieren“, so Jürgen Vietig von der Kleinmachnower Bürgerinitiative Stammbahn.

Mehrere Gremien, Institutionen und Politiker hätten sich in den vergangenen Wochen für die baldige Wiederinbetriebnahme der Stammbahn ausgesprochen. So verlange der BUND (Bund für Umwelt und Natur), dass die Stammbahntrasse wieder für den Regionalverkehr genutzt wird. Die Landesarbeitsgemeinschaft Verkehr und Landesentwicklung der Landesverbände Brandenburg und Berlin der Bündnisgrünen plädiere dafür, den Wiederaufbau zeitlich vorzuziehen anstelle des Ausbaus des südlichen Teils der geplanten S-Bahn-Linie 21. Die Projektgruppe Brandenburgnetz 2020 habe die Stammbahn ebenfalls in ihr Konzept aufgenommen.

Ihre Zuversicht stützt die Initiative auch auf die „ausdrückliche“ Erwähnung der Stammbahn im Entwurf des Brandenburger Landesverkehrsplans. Tatsächlich wird die stillgelegte Verbindung zwischen Griebnitzsee und Zehlendorf in dem Papier genannt. Doch ist dies eher als Option einer möglichen Regionalbahnstrecke zu sehen. Denn keineswegs verschwiegen werden in dem Entwurf die Fragezeichen hinter der Stammbahn. So ist der Nachweis des „verkehrlichen und volkswirtschaftlichen Nutzens“ bislang nicht gegeben. Neben dem Beleg, ob die Investition von mehr als 160 Millionen sinnvoll ist, müsse auch die Frage beantwortet sein, „ob Berlin und Brandenburg den Verkehr auf der Strecke leisten können“, so Ministeriumssprecher Lothar Wiegand. Eine dafür nötige Nutzen-Kosten-Untersuchung ist beauftragt und in Arbeit. Deren Ausgang ist ein entscheidendes, aber nicht alleiniges Kriterium für eine mögliche Reaktivierung der Strecke, die über einen Stopp am Europarc die Region ans Schienennetz anbinden würde. Auch müssen Berlin und Brandenburg das Geld für die Investition aufbringen können. Perspektivisch hält das Land Brandenburg an der Stammbahn fest, tatsächlich hat ein baldiger Wiederaufbau der ersten preußischen Bahnlinie keine Chance.

Gleichwohl sind sich die Verkehrsplaner einer gewissen Zwangslage bewusst: „Die Deutsche Bahn AG fordert eine Entscheidung“, steht im entworfenen Landesverkehrsplan zur Stammbahn geschrieben. Denn für die Ausfädelung der Stammbahnstrecke aus dem Berliner Nord-Süd-Tunnel sind bereits 26 Millionen Euro ausgegeben worden. Diese würde der Bund, so hieß es zumindest bisher, von der Bahn AG zurückfordern, sollte die Stammbahn nicht gebaut werden. Allerdings endete die Frist bereits 2006, ohne das es eine Zahlungsforderung gab.

Für die Aktionsgemeinschaft Stammbahn, die den Wiederaufbau ablehnt, ist die Zurückhaltung des Landes nicht überraschend. „Wir haben immer gesagt, dass der Wiederaufbau ökologisch und wirtschaftlich Unfug ist“, so Aktionssprecher Peer Hartwig. Zudem gebe es mit der S-Bahn (S 1) und dem Regionalexpress (RE 1) bereits zwei alternative Angebote. Ein Argument, das auch die Landesregierung leise bedient. Peter Könnicke