Potsdamer Neueste Nachrichten 01.08.07
Wie bürgerfreundlich sind die Gemeinden Teltow, Kleinmachnow, Stahnsdorf und Nuthetal?
Bürgerfreundliche
Kommune! Das Zauberwort schlechthin, das Städte und Gemeinden gern für sich
vereinnahmen: Freundliche Mitarbeiter in den Rathäusern, die kompetent helfen
und Auskünfte geben, keine langen Wartezeiten, moderne Technik, zufriedene
Bürger. So weit die Theorie. Im Praxistest wollten wir in Kleinmachnow, Teltow,
Stahnsdorf und Nuthetal herausfinden, wie gut das bürgerfreundliche Klima in
den Amtsstuben tatsächlich ist. Die Aufgabe: Eine Familie möchte ins Umland
ziehen, um sich dort ein Eigenheim zu bauen - in ökologischer Bauweise.
Solarstromanlagen, so hat das junge Paar gehört, sollen gefördert werden. Also
fragen wir in verdeckter Mission danach, ebenso nach geeigneten Grundstücken.
NUTHETAL Im Internet lesen wir, dass
die Gemeinde ein Service-Center hat. Klingt nicht schlecht. Nach einem Klick
auf den entsprechenden Link erscheint eine Liste „Angebotene Dienstleistungen“
und darunter ein Punkt „Baugenehmigungen“. Dort kann man nicht nur online
Bauanträge stellen, sondern man findet auch eine ganze Menge Informationen zu
dem Procedere. Bei unserem Anliegen hilft das jedoch nicht weiter, also wählen
wir die Telefonnummer des Service-Centers. Am anderen Ende der Leitung ist
sofort jemand am Apparat. „Über Fördermöglichkeiten weiß ich im Moment nichts“,
gesteht die Dame vom Service freundlich. Die Gemeinde jedenfalls fördere
Solarstrom nicht. „Ob das Land und der Landkreis da was auferlegt haben, weiß
ich nicht,“ sagt sie. Doch einen entscheidenden Tipp hat sie für uns: „So etwas
geht über die KfW-Bank.“ In der Tat: Die Kreditanstalt für Wiederaufbau gewährt
in ihrem Programm „Solarstrom erzeugen“ Darlehen für den Kauf und den Bau einer
Photovoltaikanlage. Und ein Grundstück für den Hausbau? Wir erfahren, dass die
Gemeinde in Saarmund und Fahlhorst Grundstücke verkauft. Wenn wir wollen,
sollten wir nach 13 Uhr unter 20439 eine Kollegin anrufen und einen
Besichtigungstermin vereinbaren. Und unter „Immobilien“ findet man die Offerten
auch auf der Gemeinde-Homepage.
STAHNSDORF „Gemeinde Stahnsdorf, Enser“, sagt der Mann am anderen Ende der
Telefonleitung. Und wir schrecken ein wenig hoch. Mit ihm hätten wir nicht
gerechnet. Wir haben die einzige Nummer gewählt, die auf der Internetseite der
Gemeinde unter der Rubrik Verwaltung auftaucht: 646 103. Die Durchwahl erweist
sich als direkter Draht nach oben. Bürgermeister Gerhard Enser persönlich
kümmert sich um uns – freundlich und ruhig. Auf unsere Frage nach einem
Grundstück, verweist er uns an das Amt für Liegenschaften. Er nennt uns aus dem
Stegreif die richtige Durchwahl und warnt vor: „Allzuviel haben wir aber nicht
mehr im Bestand.“
Und die Solaranlage, wird die gefördert? Die Förderung laufe nicht über die
Gemeinden, aber im Internet auf der Homepage des Energieunternehmens E.on edis
würden wir mehr Informationen finden. Wir sollten einfach mal „Eon-Edis“
googeln. Nur so zum Spaß fragen wir ihn auch nach der Nummer vom Bürgerservice
der Gemeinde und erhalten sie auch – die 646 104.
Statt direkt beim Liegenschaftsamt anzurufen, wollen wir lieber noch den
Bürgerservice der Gemeinde Stahnsdorf testen und landen unter besagter
Durchwahl bei einer netten Dame. Ist da der Bürgerservice? „Mmmmmh“, antwortet
sie, „eigentlich nicht, aber vielleicht kann ich Ihnen trotzdem helfen.“ Wir
erklären, worum es geht und sie erklärt uns, dass wir unter www.stahnsdorf.de
erst auf „Aktuell“ klicken müssen und dann auf „Immobilienangebote“. Zwei
Grundstücke hat die Gemeinde noch im Angebot, am Güterfelder Damm und am
Hasensprung. Unter den beiden Kurzbeschreibungen der zwischen 50 000 und 65 000
Euro teuren Areale steht die Telefonnummer der zuständigen
Liegenschaftsamts-Mitarbeiterin.
Auch sie ist ausgesprochen freundlich. Das Grundstück am Güterfelder Damm
könnten wir uns ja von der Straße aussehen und für das am Hasensprung könnten
wir uns einen Schlüssel im Rathaus abholen. Wir sollten einfach mit dem
Personalausweis zu den Sprechzeiten erscheinen. Falls die Öffnungszeiten für
uns ungünstig sind, könnten wir auch einen anderen Termin vereinbaren. Einen
Tipp gibt sie uns noch zur Förderung der von uns geplanten Solarstromanlagen:
Wir sollen bei der ILB nachfragen – der Investitionslandesbank des Landes
Brandenburg.
Das tun wir. Und tatsächlich kann uns der Herr von der Bank weiterhelfen. Und
der Tipp von Bürgermeister Enser? Auf der Internetseite des Stromanbieters
unter www.eon-edis.de erfahren wir zwar nichts über Fördergelder für Solaranlagen.
Aber immerhin informiert Eon-Edis darüber, dass die KfW-Förderbank
Energie-Spar- und Passivhäuser fördert.
TELTOW In Teltow wollen wir unsere Zukunft an einem Donnerstag planen. Auch
hier gibt es etliche online-Formulare: z.B. „Baumfällung“ oder einen
„Pflasterantrag“. Aber zunächst brauchen wir ein Grundstück. Das „Bürgerbüro“
hat laut Homepage bis 15 Uhr geöffnet. Um 14.30 Uhr verheißt nach fünf
Freizeichen eine Stimme auf dem Anrufbeantworter, dass das Bürgerbüro „zur
Zeit“ nicht besetzt ist. Dann wird mechanisch aufgezählt, welche Taste man
drücken muss, um die verschiedenen Abteilungen zu erreichen. Für das Bauamt
muss man die 7 drücken. Klappt aber nicht. Die Internetseite der
Stadtverwaltung verheißt noch eine andere Telefonnummer: 47 81 291. Wieder
klingelt es fünf Mal, dann meldet sich erneut das Bürgerbüro, wobei uns diesmal
eine Frauenstimme auf dem Anrufbeantworter bittet, eine Nachricht zu
hinterlassen, falls wir zurückgerufen werden wollen.
Wir probieren es am Montag kurz nach 13 Uhr noch einmal im Bürgerbüro und haben
Glück. „Mit Fördermöglichkeiten kenne sich das Finanzamt aus“, meint die
Mitarbeiterin. „Grundlegende Aussagen“ mache aber das Bauamt. Wir werden gleich
verbunden und vernehmen die Stimme Frau Sitz aus dem Amt 6: „Sehr geehrte
Anrufer …“ Frau Sitz ist nicht da.
Dienstag, 12.20 Uhr. Wir rufen im Bauamt an, Abteilung „Hochbau“, weil uns das
irgendwie logisch erscheint und verlangen Frau Sitz, weil das Bürgerbüro uns ja
schließlich auch mit ihr verbinden wollte. „Jetzt ist Mittag“, sagt ihr
Kollege. „Da ist sie zu Tisch. Rufen Sie doch vielleicht halb zwei an.“ Machen
wir, vergebens. Der nächste Versuch ist eine halbe Stunde später und
erfolgreicher. Frau Sitz verweist uns an Herrn Zedler, der uns umfassend
aufklärt. Nein, die Stadt selbst fördere ökologische Bauweise nicht. Dafür
hätten die einzelnen Kommunen auch gar keine Rechtsgrundlage. Auf Landesebene
könnten wir uns aber an die Investitionsbank wenden. „Unbedingt!“, betont er.
Und auf Bundesebene an die KfW. „Gerade bei Energiesparprogrammen ist die KfW
sehr stark“, weiß Herr Zedler. Zu regeln sei ein KfW-Darlehen über die
Hausbank. Städtische Förderung in Teltow gebe es allerdings, wenn wir ein
Grundstück in der Altstadt kaufen und bebauen. Flugs referiert Herr Zedler über
Bebauungsmöglichkeiten, über „Baurecht im rückwärtigen Bereich“, über
Wegerecht. Eine Kollegin könne da Genaueres sagen. Wir atmen etwas auf, dass
die Kollegin derzeit nicht zu sprechen ist, denn beim Tempo des Herrn Zedler
war es bis zum Kaufvertrag nicht mehr weit. Schließlich bekommen wir noch die
Telefonnummer des Sanierungsträgers „complan“, der über verfügbare Grundstücke
in der Altstadt sowie Förderwege Bescheid weiß.
KLEINMACHNOW In Kleinmachnow versuchen wir es erst einmal über die zentrale
Nummer, wie sie auf der Internetseite der Gemeinde steht. Die Nummer ist
eigentlich recht kurz: 877 0. Umso länger muss man aber warten, wenn man sie
gewählt hat. Zuerst heißt uns eine traurig klingende junge Männerstimme vom
Band herzlich in der Gemeinde Kleinmachnow willkommen.
Und dann zählt sie ganze 45 Sekunden lang auf, für welches Anliegen, wir welche
Taste drücken sollen und nennt sicherheitshalber noch einmal die entsprechenden
Durchwahlen. So lange braucht ein Espressoautomat, um zwei Tassen zu füllen.
Schade, dass wir keinen Espressoautomaten haben – Kaffee wäre nicht schlecht
gewesen, denn die monotone Ansage ermüdet etwas.
Doch plötzlich sind wir auch ohne Koffeinschub hellwach: „Bereich Bauen und
Wohnen – drücken Sie Taste Vier!“, sagt die Stimme am Telefon. Bereich Bauen
und Wohnen – da sind wir richtig, denken wir und drücken die Vier. Immer
wieder. Nichts passiert. Unser Telefon ist zu alt für eine Verbindung per
Tastendruck. Also hören wir dem Trauerspiel in der Leitung bis zum Ende zu.
Vielleicht hebt danach ein richtiger Mensch ab. Aber der Mann vom Band sagt
nur: „Die Ansage wird nun automatisch wiederholt oder Sie legen jetzt auf.“ Und
die Leier geht wie angekündigt von vorn los. Dieses Mal schreiben wir gleich
die direkte Durchwahl für den Bereich „Bauen und Wohnen“ mit.
Ein neuer Versuch: Und tatsächlich meldet sich am anderen Ende eine Frau –
live! Sie heißt uns zwar nicht willkommen und ist auch sonst kürzer angebunden
als die Bandstimme. Das tut jetzt aber gut. Wir erzählen ihr unser Anliegen und
fragen: „Hat die Gemeinde ein Grundstück für uns und wird die Solaranlage
gefördert?“ „Die Gemeinde fördert nichts“, sagt die Frau und ob es Grundstücke
gibt, könne sie nicht sagen. Wir sollten mal ins Internet schauen unter
www.kleinmachnow.de, da würde es unter „die Gemeinde verkauft Grundstück“
stehen.
Und tatsächlich, wenn man die Seite bis ganz nach unten scrollt, taucht dieser
Satz als Rubrik-Überschrift auf. Ein Klick darauf und schon landen wir beim
Angebot vom Oktober 2006. Ein Grundstück in der Ernst-Thälmann-Straße 61: 1160
Quadratmeter für 266 800 Euro. Darüber stehen zwei Namen und Telefonnummern, an
die man sich bei Interesse wenden kann. Schon haben wir wieder den Telefonhörer
in der Hand: Unter der zweiten Nummer meldet sich jemand. Das Grundstück stehe
immer noch zum Verkauf und wir könnten es uns von der Straße ansehen. Besteht
weiterhin Interesse, könnten wir zu den Sprechzeiten ins Rathaus kommen und uns
ein Exposé abholen.
FAZIT In puncto Freundlichkeit gab es bei dem Versuch nichts zu beanstanden.
Wer am Telefon war, bemühte sich um Auskunft bzw. um Vermittlung anderer
Ansprechpartner. Der mittlere Telefon-Marathon in Teltow verlangt
Geduldstraining. Dass es in Stahnsdorf trotz früherer Ankündigungen keinen Bürgerservice
gibt, verwundert. Und in der Sache gab es nützliche Tipps. Aber: Repräsentativ
ist der Praxistest nicht.
Juliane Wedemeyer / Peter Könnicke