Potsdamer Neueste Nachrichten 28.06.07
Wie kann das sein: Staatliche
Schulen müssen wegen Schülermangels schließen und gleichzeitig entstehen
laufend neue Privatschulen? So hört man mancherorts Eltern, Schüler und Lehrer
fragen. Brandenburgs Bildungsminister Rupprecht und Vertreter seines Hauses
versuchen, die Frage und den Zorn der Frager auf die freien Schulen umzulenken.
Wiederholt sagt der Minister, es bedürfe dringend politischer Maßnahmen gegen
weitere Schulgründungen. Er sei, so sagt er, nicht gegen freie Schulen, die
seien ja vom Grundgesetz geschützt. Aber es seien jetzt genug.
Sieben Prozent der Schüler allgemeinbildender Schulen, so ein Vertreter seines
Ministeriums, besuchten jetzt Privatschulen, das Niveau der alten Bundesländer
sei damit erreicht. In der amtlichen Statistik ist allerdings nicht von sieben,
sondern 4,75 Prozent die Rede.
Was tun diese Zahlen zur Sache? Das Recht, Schulen in freier Trägerschaft zu
gründen, und das Elternrecht, Kinder dort anzumelden, ist in Deutschland ein
Grundrecht. Es wahrzunehmen oder nicht, ist allein Sache der Bürger, ob es
staatlichen Stellen gefällt oder nicht. Man stelle sich vor, der
Verkehrsminister erklärte, die Bürger bewegten sich zu viel auf öffentlichen
Straßen und brächten die Planung durcheinander, deshalb müsse nun nach
Maßnahmen gesucht werden, die Ausübung dieses Grundrechts zu begrenzen!
Nun fordert ein Bildungsminister ganz Ähnliches für das Grundrecht der
Privatschulfreiheit. Minister Rupprecht ermutigt seine Verwaltung, im
Genehmigungsverfahren für eine höhere Quote von Ablehnungen zu sorgen. Da
werden Genehmigungsbedingungen konstruiert, und wenn der Antragsteller fragt,
auf welcher gesetzlichen Grundlage, wird ihm geantwortet: „Wenn Sie das nicht
akzeptieren, wird die Schule nicht genehmigt.“ So mancher Schulträger schluckt
die Kröte, weil er endlich anfangen will, weil er weiß: In Brandenburg dauert
ein Verwaltungsgerichtsverfahren drei Jahre, da sind die interessierten Eltern
und Kinder längst weg; und das Geld, das der Träger für die Gründungsphase
braucht, kann er nicht zum Anwalt tragen.
Dieses Jahr liegen im Ministerium 47 neue Anträge auf Genehmigung. Erst wenige
sind durch Bescheide abgeschlossen. Was ist, wenn die Bescheide vor dem
Schuljahr nicht fertig sind? Brandenburg braucht dringend eine Regelung, wie es
sie in anderen Ländern gibt, hierzulande aber nur im Baurecht: Wenn die Behörde
es nicht schafft, die Antragsteller fristgerecht zu bescheiden, gilt der Antrag
als genehmigt.
Die Schulnetzpolitik hat bei Bürgern keine Akzeptanz. Kommunen schlagen sich
auf die Seite der Schulgründer (etwa in Doberlug-Kirchhain, Kleinmachnow,
Wriezen). Sie wollen Schule am Ort, die Trägerschaft ist ihnen egal. Für Eltern
ist der Unterschied nicht so groß, ob sie 50 Euro Beförderungsgeld oder 70 Euro
Schulgeld zahlen müssen.
Das Land muss endlich die Realität zur Kenntnis nehmen und sich von der Idee
der flächendeckenden staatlichen Schulversorgung verabschieden. Wie viele
Kosten mit einer freien Schule zu sparen sind, hat der Landkreis Potsdam-
Mittelmark begriffen: Er müsste in der Region um Kleinmachnow für über drei
Millionen Euro ein Gymnasium errichten; nun trug er einem privaten Schulträger
an, das Gymnasium zu gründen. Für die ersten beiden Jahre, in denen das Land
noch keine Finanzhilfe zahlt, bietet er einen Zuschuss von 750 000 Euro und
hätte damit immer noch 2,25 Millionen Euro gespart.
Das Schulwesen besteht aus staatlichen und freien Trägern – heute und in
Zukunft. Über beide führt laut Grundgesetz das Land die Aufsicht. Ein
Ministerium, von dem man nicht nur Lippenbekenntnisse, sondern Achtung vor dem
Grundgesetz fordern muss, kann nicht länger den freien Wettbewerb zugunsten
staatlicher Schulen beeinflussen wollen. Schließlich entscheiden immer noch die
Bürger, wie viel sie von ihrer Freiheit in Anspruch nehmen, nicht der Staat.
Der Autor ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen im Land
Brandenburg.