Potsdamer Neueste Nachrichten 28.06.07

 

Schule machen darf jeder

Von Christoph Schröder
 

Wie kann das sein: Staatliche Schulen müssen wegen Schülermangels schließen und gleichzeitig entstehen laufend neue Privatschulen? So hört man mancherorts Eltern, Schüler und Lehrer fragen. Brandenburgs Bildungsminister Rupprecht und Vertreter seines Hauses versuchen, die Frage und den Zorn der Frager auf die freien Schulen umzulenken. Wiederholt sagt der Minister, es bedürfe dringend politischer Maßnahmen gegen weitere Schulgründungen. Er sei, so sagt er, nicht gegen freie Schulen, die seien ja vom Grundgesetz geschützt. Aber es seien jetzt genug.

Sieben Prozent der Schüler allgemeinbildender Schulen, so ein Vertreter seines Ministeriums, besuchten jetzt Privatschulen, das Niveau der alten Bundesländer sei damit erreicht. In der amtlichen Statistik ist allerdings nicht von sieben, sondern 4,75 Prozent die Rede.

Was tun diese Zahlen zur Sache? Das Recht, Schulen in freier Trägerschaft zu gründen, und das Elternrecht, Kinder dort anzumelden, ist in Deutschland ein Grundrecht. Es wahrzunehmen oder nicht, ist allein Sache der Bürger, ob es staatlichen Stellen gefällt oder nicht. Man stelle sich vor, der Verkehrsminister erklärte, die Bürger bewegten sich zu viel auf öffentlichen Straßen und brächten die Planung durcheinander, deshalb müsse nun nach Maßnahmen gesucht werden, die Ausübung dieses Grundrechts zu begrenzen!

Nun fordert ein Bildungsminister ganz Ähnliches für das Grundrecht der Privatschulfreiheit. Minister Rupprecht ermutigt seine Verwaltung, im Genehmigungsverfahren für eine höhere Quote von Ablehnungen zu sorgen. Da werden Genehmigungsbedingungen konstruiert, und wenn der Antragsteller fragt, auf welcher gesetzlichen Grundlage, wird ihm geantwortet: „Wenn Sie das nicht akzeptieren, wird die Schule nicht genehmigt.“ So mancher Schulträger schluckt die Kröte, weil er endlich anfangen will, weil er weiß: In Brandenburg dauert ein Verwaltungsgerichtsverfahren drei Jahre, da sind die interessierten Eltern und Kinder längst weg; und das Geld, das der Träger für die Gründungsphase braucht, kann er nicht zum Anwalt tragen.

Dieses Jahr liegen im Ministerium 47 neue Anträge auf Genehmigung. Erst wenige sind durch Bescheide abgeschlossen. Was ist, wenn die Bescheide vor dem Schuljahr nicht fertig sind? Brandenburg braucht dringend eine Regelung, wie es sie in anderen Ländern gibt, hierzulande aber nur im Baurecht: Wenn die Behörde es nicht schafft, die Antragsteller fristgerecht zu bescheiden, gilt der Antrag als genehmigt.

Die Schulnetzpolitik hat bei Bürgern keine Akzeptanz. Kommunen schlagen sich auf die Seite der Schulgründer (etwa in Doberlug-Kirchhain, Kleinmachnow, Wriezen). Sie wollen Schule am Ort, die Trägerschaft ist ihnen egal. Für Eltern ist der Unterschied nicht so groß, ob sie 50 Euro Beförderungsgeld oder 70 Euro Schulgeld zahlen müssen.

Das Land muss endlich die Realität zur Kenntnis nehmen und sich von der Idee der flächendeckenden staatlichen Schulversorgung verabschieden. Wie viele Kosten mit einer freien Schule zu sparen sind, hat der Landkreis Potsdam- Mittelmark begriffen: Er müsste in der Region um Kleinmachnow für über drei Millionen Euro ein Gymnasium errichten; nun trug er einem privaten Schulträger an, das Gymnasium zu gründen. Für die ersten beiden Jahre, in denen das Land noch keine Finanzhilfe zahlt, bietet er einen Zuschuss von 750 000 Euro und hätte damit immer noch 2,25 Millionen Euro gespart.

Das Schulwesen besteht aus staatlichen und freien Trägern – heute und in Zukunft. Über beide führt laut Grundgesetz das Land die Aufsicht. Ein Ministerium, von dem man nicht nur Lippenbekenntnisse, sondern Achtung vor dem Grundgesetz fordern muss, kann nicht länger den freien Wettbewerb zugunsten staatlicher Schulen beeinflussen wollen. Schließlich entscheiden immer noch die Bürger, wie viel sie von ihrer Freiheit in Anspruch nehmen, nicht der Staat.

Der Autor ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen im Land Brandenburg.